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Kreuzesnachfolge

Ausdruck: „Der Hauptfehler .... liegt darin, daß sich in ihrem Verhalten keine Demut kundzugeben scheint; denn die Gunstbezeugungen, von denen sie hier spricht, wenn es überhaupt welche sind, werden der Seele gewöhnlich nur verliehen, nachdem sie sich zuerst in vollkommener innerer Verdemütigung ihrer selbst entäußert und gleichsam vernichtet hat“. Wenn sich die Wirkungen der Demut „auch nicht bei allen göttlichen Wahrnehmungen in so hohem Maß bemerkbar machen, so bringen doch jene Gunstbezeugungen, mit denen man im Stande der Vereinigung begnadigt wird – und von diesen spricht sie –, demütige Gesinnung hervor.... Man soll sie in der Übung von Tugenden prüfen, die keinen Genuß verschaffen, besonders in Geringschätzung, Demut und Gehorsam. Im Widerhall dieses Schlages wird sich die Lauterkeit der Seele offenbaren, der solch erhabene Gunstbezeugungen zuteilgeworden sein sollen. Aber diese Prüfungen müssen tiefgehend sein, denn es gibt keinen Teufel, der nicht um seiner Ehre willen etwas leiden würde“[1].

Denselben Geist atmen die Verhaltungsmaßregeln für Ordensleute, die der Heilige bei verschiedenen Gelegenheiten niederschrieb. Unter den Anweisungen, die wahrscheinlich für die Karmelitinnen von Beas geschrieben wurden, finden sich die folgenden drei gegen das Fleisch:

„1. In erster Linie sollst du bedenken, daß du nur dazu ins Kloster gekommen bist, damit alle an dir arbeiten und dich abrichten. Um frei zu sein von allen Unvollkommenheiten und aller Verwirrung, die dir aus dem Charakter und der Handlungsweise der Ordensleute erwachsen können, und um Nutzen zu ziehen aus allem, was geschieht, mußt du denken, alle seien Werkzeuge (das sind sie auch wirklich), die im Kloster sind, um dich zu bearbeiten. Der eine hat dich zu bearbeiten durch Worte, der andere durch Werke, der dritte durch Gedanken, die gegen dich gerichtet sind; unterwirf dich allem wie ein Bild, das von dem einen geschnitzt, von dem andern gemalt und vom dritten vergoldet wird. Wenn du das nicht beachtest, kannst du weder deine Sinnlichkeit und Empfindlichkeit besiegen noch mit den Ordensleuten im Kloster gut auskommen; du wirst auch nicht den heiligen Frieden genießen und dich nicht von vielen Fehltritten freihalten können.

2. .... Unterlasse nie ein Werk, weil es dir nicht zusagt und du keinen Geschmack daran findest, wenn es sich um den Dienst Gottes handelt; tu auch nichts allein um des Geschmackes und der Befriedigung willen, die es dir gewährt...., sondern als wenn es dir


  1. E. Cr. III 110 f.
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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/248&oldid=- (Version vom 6.1.2019)