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Kreuzesnachfolge

Euer Ehrwürden eine große Gnade erwiesen, daß Sie jetzt, von allen vergessen, an Ihm allein Ihre Freude finden können. Seien Sie ganz unbesorgt, wenn an Ihnen geschieht, was man um der Liebe Gottes willen Ihnen zufügen will. Sie gehören nicht mehr sich selbst, sondern Gott an....“[1]

Einer Postulantin gibt er den Rat: „.... Was das Leiden unseres Herrn angeht: Behandeln Sie Ihren Leib mit weiser Strenge, durch Haß gegen sich selbst und Selbstverleugnung, und suchen Sie nie dem eigenen Willen und Geschmack zu folgen. Denn dieser Eigenwille war die Ursache Seines Leidens und Todes....“[2]

Der Priorin des neubegründeten Klosters zu Cordova schreibt er: „Daß Sie unter sengender Hitze so ärmliche Häuser beziehen mußten, hat Gott so gefügt; Sie sollen ein gutes Beispiel geben und zeigen, daß Sie sich durch Ihre Profeß zur Armut Christi bekennen. Die sich zur Aufnahme melden, werden daraus ersehen, welcher Geist sie bei ihrem Eintritt beseelen muß.... Bewahren Sie aufs gewissenhafteste den Geist der Armut und der Verachtung alles Irdischen und beschäftigen Sie sich mit Gott allein, sonst erwachsen Ihnen, wie Sie wissen, tausenderlei geistige und zeitliche Bedürfnisse, während Sie nur jene Bedürfnisse haben und empfinden sollen, die Sie in Ihrem Herzen aufkommen lassen wollen. Denn der Arme im Geist ist zufriedener und fröhlicher im Mangel, weil er sein Alles auf das völlige Nichts gesetzt hat, und so bewahrt er in allem die Freiheit des Herzens. Glückseliges Nichts und glückselige Vereinsamung des Herzens, die solche Kraft besitzen, daß sie sich alles unterwerfen, sich selbst aber keinem Ding unterwerfen und sich aller Sorgen entledigen, um mehr in Liebe entbrennen zu können“. Die Schwestern „sollen sich die Erstlinge des Geistes zunutze machen, die Gott bei solchen Neugründungen verleiht, um so mit ganz erneutem Geist den Weg der Vollkommenheit in aller Demut und Losschälung, innerlich und äußerlich, zu betreten, nicht mit kindischem Sinn, sondern mit kraftvollem Willen. Sie sollen Abtötung und Buße auf sich nehmen, in dem Bestreben, sich Christus etwas kosten zu lassen, und nicht jenen gleich sein, die ihre eigene Bequemlichkeit und ihren Trost suchen, in Gott oder außer Ihm, sondern das Leiden für Gott, in Gott und außer Ihm, in Stillschweigen und Hoffnung und liebendem Gedenken....“[3]

Der dunkelste Weg ist der sicherste. Diese Lehre der Dunklen Nacht wird auch in der Seelenführung mit allem Nachdruck betont:


  1. 8. Brief, E. Cr. III 86.
  2. 11. Brief, E. Cr. III 90.
  3. 15. Brief, E. Cr. III 161 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/246&oldid=- (Version vom 6.1.2019)