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Kreuzesnachfolge

An sein Beichtkind Juana de Pedraza in Granada schrieb er als Antwort auf Klage über ihre Leiden: „Alle diese Schrecknisse und Schläge .... vermehren die Liebe und bewirken, daß man eifriger betet und den Geist flehend zu Gott erhebt.... O mein Herr, Du großer Gott der Liebe, mit welchen Reichtümern beschenkst Du den, der nichts liebt und in nichts sein Genügen sucht als nur in Dir! Dich selbst gibst Du ihm und vereinigst Dich mit ihm durch die Liebe. Und so läßt Du die Seele das in Liebe kosten, was sie an Dir am innigsten ersehnt und was ihr am meisten nützt. Aus diesem Grunde darf uns ebensowenig wie unserm Geliebten das Kreuz fehlen bis zum Tode der Liebe. Er verhängt Leiden über uns nach dem Maße unserer Liebe, damit wir größere Opfer bringen und mehr Verdienste uns sammeln. Aber dies alles ist von kurzer Dauer, da es nur währt, bis das Messer erhoben ist; dann bleibt Isaak lebendig und erhält die Verheißung seiner Verdienste“[1].

Besonders nahe stand er den Karmelitinnen in Beas. Als Oberer auf dem Calvario (bald nach seiner Flucht aus dem Kerker) und als Rektor des Kollegs von Baëza war er in ihrer Nähe und konnte oft persönlich bei ihnen sein, durch Predigten, geistliche Gespräche und Ermahnungen im Beichtstuhl auf sie einwirken. Auch später war er noch manchmal ihr Gast. Brieflicher Verkehr ergänzte die mündliche Unterweisung. In einem Brief vom 18. November 1586 heißt es: „Wer .... Gefallen sucht an irgendeiner Sache, der ist kein leeres Gefäß, das Gott mit Seiner unaussprechlichen Wonne erfüllen kann. Auf diese Weise wendet man sich von Gott ab, statt Ihm entgegenzugehen, und Ihre Hände vermögen nicht im Empfang zu nehmen, was Gott geben will.... Dienen Sie Gott, meine geliebten Töchter in Christo, treten Sie durch Selbstverleugnung in aller Geduld, durch Stillschweigen und wahre Leidensliebe in Seine Fußstapfen, gehen Sie unbarmherzig gegen jede Selbstgenügsamkeit vor und ertöten Sie alles, was in Ihnen sterben soll und die innere Auferstehung des Geistes hindert! ....“[2] An Mutter Eleonora Baptista, Priorin von Beas, schreibt Johannes am 8. Februar 1588: „.... Wenn ich bedenke, daß Gott Sie zu einem apostolischen Leben, d.h. zu einem Leben der Verachtung, berufen hat und Sie auf diesem Wege führt, so ist mir das ein Trost. Denn nach Gottes Willen muß die Gesinnung wahrer Ordensleute so beschaffen sein, daß sie mit allem abgeschlossen haben und alles für sie seine Bedeutung verloren hat; Gott allein will ihr Reichtum, ihr Trost und ihre wonnevolle Herrlichkeit sein. Gott hat


  1. 10. Brief vom 28. I. 1589, E. Cr. III 89.
  2. 6. Brief, E. Cr. III 84.
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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/245&oldid=- (Version vom 6.1.2019)