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Brautsymbol und Kreuz

Seele verliehen, damit sie in den Besitz der Kraft dieser Liebe gelangt, und Er ersetzt und ergänzt alles, was ihr für die machtvolle Umgestaltung in der ewigen Glorie mangelt“[1].

Zugleich mit der Vollkommenheit der Liebe erwartet sie die ewige Glorie, d.h. die Anschauung der göttlichen Wesenheit, die Gott ihr von Ewigkeit her vorherbestimmt hat. Sie nennt sie erst an zweiter Stelle, weil die Liebe im Willen ihren Sitz hat und in erster Linie Ziel ist; denn der Liebe entspricht es zu geben, nicht zu empfangen, dem Verstand aber, dem Sitz der Glorie, zu empfangen, nicht zu geben. „Hingerissen von Liebe, beschäftigt sich nun die Seele nicht mit der wesenhaften Glorie, die Gott ihr schenken wird, sondern denkt nur daran, wie sie sich durch wahre Liebe Ihm weihen könne, ohne Rücksicht auf eigenen Gewinn“. Außerdem schließt die erste Bitte die zweite in sich; „denn man kann unmöglich zur vollkommenen Liebe Gottes gelangen ohne den Genuß der vollkommenen Anschauung Gottes“. Die Anschauung Gottes – das ist es, was Gott ihr von Ewigkeit her bereitet hat. Das ist aber das, „was kein Auge gesehen hat, kein Ohr gehört hat und was in keines Menschen Herz gekommen ist“ (1 Cor. 2,9; Is. 64,4). Was die Seele davon ahnt, ist so überwältigend, daß sie kein anderes Wort dafür findet als Was. Eine Erklärung dieses geheimnisvollen Wortes ist nicht möglich. Der Herr selbst hat es in der Geheimen Offenbarung durch den Mund des hl. Johannes in sieben verschiedenen Ausdrücken, Worten und Vergleichen angedeutet: „Wer überwindet, dem werde Ich zu essen geben von dem Baume des Lebens, der im Paradiese Meines Gottes ist“ (Apoc. 2,7). „Sei getreu bis in den Tod, und Ich will dir die Krone des Lebens geben“ (Apoc. 2,10). „Wer siegt, dem werde Ich von dem verborgenen Manna geben, und Ich will ihm einen weißen Stein geben, und auf diesem Stein geschrieben einen neuen Namen, den niemand kennt, als wer ihn empfängt“ (Apoc. 2,17). „Wer siegt und Meine Werke bis ans Ende bewahrt, dem werde Ich Macht über die Völker geben, und er wird sie mit eisernem Zepter leiten, und wie Töpfergeschirr werden sie zertrümmert, so wie auch Ich Macht empfangen habe von meinem Vater, und Ich werde ihm den Morgenstern geben“ (Apoc. 2, 26). „Wer siegt, wird mit weißen Kleidern bekleidet werden, und Ich werde seinen Namen nicht austilgen aus dem Buch des Lebens und werde seinen Namen bekennen vor Meinem Vater“ (Apoc. 3, 5). „Wer siegt, den will Ich zu einer Säule im Tempel Meines Gottes machen, und er wird nicht mehr von da weichen, und Ich werde auf ihn den Namen


  1. Erklärung zu Str. 38 V. 1 u. 2, Obras III 410.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/237&oldid=- (Version vom 6.1.2019)