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Das Brautsymbol und die einzelnen Bilder

an einer göttlichen Eigenschaft teilzunehmen. Denn wenn auch Gott Seine Freude an allen Dingen findet, so erfreut Er sich doch nicht so sehr an ihnen wie an sich selbst, denn Er besitzt sie alle in sich selbst in weit höherer, in überragender Weise“. So dienen auch der Seele alle neuen Freuden nur als Aufmunterung, sich dem Glück der Vereinigung hinzugeben. Wenn sie an irgend etwas Befriedigung findet, dann erwacht sogleich in ihr der Gedanke an das weit höhe­re Gut, das in ihr gegenwärtig ist, und sie wendet sich Ihm zu, um in Ihm ihre Wonne zu suchen. Im Vergleich damit ist der Gewinn aus dem Hinzukommenden „etwas so Unbedeutendes, daß wir ihn für nichts achten können“. Dabei hat sie aber das Gefühl, ständig neue Wonne zu kosten, weil das Gute, das sie immer von neuem genießt, für sie immer etwas Neues ist.

„Wenn wir nun von dem Glorienlicht reden wollen, das Gott der Seele in dieser beständigen Umarmung manchmal gewährt, so fin­det sich kein Wort, das uns davon eine Vorstellung geben könnte. Es ist das in gewissem Sinn eine geistige Umgestaltung, in welcher Er die Seele das ganze Meer der Wonne und Reichtümer schauen und zugleich kosten läßt, womit Er sie begnadigt hat. Wie die Son­ne, wenn sie vom Zenit aus ihre Feuerstrahlen auf das Meer wirft, es bis in die tiefen Höhlen und Abgründe erhellt und Perlen, die reichsten Goldadern und andere kostbare Mineralien aufschimmern läßt, so enthüllt auch die göttliche Sonne .... der Braut .... alle Reichtümer ihrer Seele.... Und trotz dieser erhabenen Erleuch­tung erfährt die Seele keinen Zuwachs, es wird nur ans Licht ge­bracht und genossen, was sie schon vorher besaß“.

So erleuchtet, stark und fest in Gott gegründet, läßt sie sich durch die Schrecknisse der bösen Geister nicht mehr beängstigen. „Nichts kann sie mehr berühren und verwirren“. Sie ist in Gott eingegangen und erfreut sich eines vollkommenen Friedens, der alle Begriffe übersteigt und durch keine Menschenworte ausgedrückt werden kann[1].

„Die Braut ist eingegangen in des ersehnten Gartens Lieblichkei­ten“. Der ganze Weg liegt hinter ihr, die Vorbereitung ist beendet, in der Zeit der Verlobung hat sich die Treue bewährt. Nun ruft sie Gott zur Vermählung in den blühenden Garten: das ist Er selbst, der Ersehnte, in den sie jetzt völlig umgestaltet wird. „Dadurch kommt eine so innige Vereinigung beider Naturen und eine solche Mitteilung der göttlichen Natur an die menschliche zustande, daß jede von beiden, ohne irgend eine Veränderung ihres Wesens, als


  1. Erklärung zu Str. 21 (30), Obras III 316 u. 144.
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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/225&oldid=- (Version vom 6.1.2019)