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und Dienstleistungen belohnt. Sie darf nicht bloß in das Innere des Palastes und im königlichen Gewände vor das Angesicht des Königs treten, sie empfängt auch das Diadem, den Szepter und den Thron des Königs sowie den königlichen Ring, um im Reich ihres Bräu­tigams nach Belieben schalten und walten zu können“[1].


2. Der Seele Brautgesang

a) Der Geistliche Gesang und sein Verhältnis zu den andern Schriften

Wo Johannes von der Vereinigung der Seele mit Gott sprach, haben sich ihm in allen Schriften gern Worte des Hohenliedes auf die Lippen gedrängt. Aber in jener Zeit, in der seine eigene Seele wohl am stärksten von allen Schmerzen und Wonnen der Liebe erschüttert wurde – in den Kerkermonaten zu Toledo –, da ist der uralte Brautgesang aus seinem Herzen neu geboren worden. Er ist uns in zwei Fassungen überliefert, deren Unterschied für uns von Bedeutung ist.

CANCIONES ENTRE EL ALMA
GESANG ZWISCHEN DER SEELE UND
Y EL ESPOSO
DEM BRÄUTIGAM
0 0
I.[2]
I.
Esposa:
Die Braut:
1.
1.
A dónde te escondiste, Wo Du geheim wohl weilest,
Amado, y me dejaste con gemido? Geliebter, der zurückließ mich in Klagen?
Como el ciervo huiste, Dem Hirsch gleich Du enteilest,
Habiéndome herido; Da Wunden Du geschlagen:
Salí tras tí clamando, y eras ido. Ich lief und rief, doch könnt’ Dich nicht erjagen.



  1. Lebendige Liebesflamme, Erklärung zu Str. 2 V. 3, Obras IV 43 u. 149 f. – Buch Esther 4, 1 ff.
  2. Die römischen Ziffern I., II. und III. sind erst in der zweiten Fassung ein­gefügt.
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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 196. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/196&oldid=- (Version vom 7.1.2019)