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Doch all das sind nur unzulängliche Versuche, das auszudrücken, was in Wirklichkeit vorgeht; „denn die Umgestaltung der Seele in Gott ist etwas Unaussprechliches“[1].

Wenn von Strahlenfluten gesprochen wird, in denen die Seele erglänzt, so sind damit die liebeglühenden Erkenntnisse der göttlichen Vollkommenheiten gemeint. Mit diesen Vollkommenheiten vereinigt, wird sie in die liebeglühenden Lichtstrahlen umgestaltet und er­glänzt wie diese selbst. Das Leuchten der göttlichen Lichtstrahlen ist ganz anders als das körperlicher Lampen. Diese beleuchten mit ihren Flammen die Dinge außer ihnen; jenes Leuchten dagegen läßt die Dinge im Innern der Strahlen erglänzen. Die Seele ist ja in den Strahlenfluten, ist dadurch umgestaltet und selbst zur Lichtflamme geworden: sie gleicht der entzündeten und in Feuer umgestalteten Luft innerhalb der Flamme. Die Bewegungen der Flamme, ihr Schwingen und Aufflackern, gehen von der Seele und dem Heiligen Geist zugleich aus; „sie sind nicht bloß Strahlenfluten, sondern auch eine Verklärung der Seele, die lieblichen Spiele und Festlichkeiten des Heiligen Geistes in der Seele“, von denen früher schon gesprochen wurde. Es scheint, daß Er ihr dadurch das ewige Leben und die vollkommene Verherrlichung schenken will. Darauf zielen alle vorausgehenden und folgenden Gnaden hin. Aber so machtvoll auch die Anregungen des Heiligen Geistes wirken, das Aufgehen in der Fülle der Beseligung ist doch erst möglich, wenn die Seele „aus der Sphäre .... dieses sterblichen Lebens heraustritt und eingehen kann in das Tiefinnerste des Geistes, des vollkommenen Lebens in Christus“.

Wenn von Bewegungen der Flamme die Rede war, so sind sie nicht eigentlich Gott zuzuschreiben, sondern der Seele. Denn Gott ist unveränderlich; es scheint ihr nur so, als ob Er sich in ihr bewege.

Die Lichtglanzfülle kann auch Überschattung genannt werden, wie es der Engel bei der Verkündigung tat (Luc. 1, 35). Denn überschatten oder Schatten geben bedeutet „schützen, begünstigen und Wohltaten erweisen“. Sobald nämlich der Schatten einer Person auf jemanden fällt, ist es ein Zeichen, daß sie zum Schutz und Beistand nahe ist. Der Schatten nun, den ein Ding gibt, richtet sich nach der Natur des Dinges. „Ist es dicht und finster, so wirft es einen dunk­len Schatten, ist es hell und fein, dann ist auch der Schatten hell und fein.“ So sind die Schatten der göttlichen Feuerlampen Strahlen­fluten: die Lampe der Schönheit erzeugt als Schatten in der Seele eine andere Schönheit, die Lampe der Stärke eine andere Stärke, und der Schatten der Weisheit Gottes ist wiederum eine Weisheit. Besser


  1. a. a. O. Str. 3 V. 1, Obras IV 48 ff. u. 155 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/183&oldid=- (Version vom 7.1.2019)