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und mit Liebesglut erfüllen“. Und so wird sie von jeder dieser Lampen besonders und von allen gemeinsam entflammt. „Denn alle diese Eigenschaften sind ein Wesen....; und so sind auch alle diese Lampen nur eine Lampe, die nach ihren Kräften und Eigenschaften leuchtet und brennt wie viele Lampen“. Der Glanz dieser Lampe des göttlichen Wesens, sofern Er allmächtig ist, gibt ihr Licht und Wärme zu Gott dem Allmächtigen. Er erfüllt sie aber auch mit Glanz als der Allweise und ist so eine Lampe der Weisheit. Und so ist es mit allen übrigen Eigenschaften, die sich der Seele zu­gleich offenbaren. Wunderbare Wonne empfängt die Seele vom Feuer und Licht dieser Lampen, eine unendliche Fülle, da sie von so vielen Lampen kommt und jede in Liebe brennt. „Und die Glut der einen vermehrt die Glut der andern, die Flamme der einen die Flamme der andern und das Licht der einen das der andern. Denn durch jede einzelne Vollkommenheit wird die andere erkannt. Und so werden alle zusammen ein Licht und ein Feuer....“ Die Seele wird unermeßlich in diese zarten Flammen eingetaucht, von jeder einzelnen aufs zärtlichste in Liebe verwundet und von allen zusam­men noch mehr verwundet in der Liebe, die aus dem Leben kommt, und sie „vermag gar wohl zu erkennen, daß jene Liebe vom ewigen Leben stammt, das alle Güter in sich begreift“. Gott erweist der Seele Seine Liebe und Seine Wohltaten in der Kraft aller Seiner Eigen­schaften: Er begnadet und liebt sie mit Allmacht und Weisheit, in Güte und Heiligkeit, in Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, Reinheit und Lauterkeit usw. Er schätzt sie überaus hoch, will sie mit sich selbst auf gleiche Stufe stellen und zeigt sich ihr darum freudig in den Erkenntnissen der Vereinigung. Ströme des Liebens gießt Er auf sie aus, und sie wird beglückt in vollkommener Harmonie der Seele und des Leibes, umgewandelt in ein Paradies, das Gott voll­kommen bebaut hat. Und so lieblich ist das unendliche Feuer, daß es den Wassern des Lebens gleicht, die mit Ungestüm den Durst des Geistes vollkommen stillen. Das deutete jener wunderbare Vor­gang an, von dem die Makkabäerbücher berichten: das heilige Feuer, das in einer Zisterne verborgen wurde, war in der Zisterne zu Was­ser geworden; auf dem Opferaltar wandelte es sich wieder in Feu­er[1]. Wie ein süßes, wonnigliches Wasser ist der Geist Gottes, so­lang Er in den Adern der Seele verborgen ist; tritt Er aber beim Opfer der göttlichen Liebe zu Tage, dann ist Er ein lebendiges Flam­menfeuer. Weil nun die Seele hier entflammt und in liebender Hin­gabe tätig ist, darum spricht sie lieber von Lampen als von Wasser.


  1. 2 Mach. 1, 19-22.
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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/182&oldid=- (Version vom 7.1.2019)