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ist es, der alles vollbringt; die Seele gibt von dem Ihrigen nichts“. Sie kann ja aus sich nur mit Hilfe der körperlichen Sinne tätig sein; denen ist sie aber in diesem Zustand völlig entrückt, und so „be­schränkt sie sich darauf, nur von Gott im Empfang zu nehmen; Er allein kann im Grunde der Seele .... ohne Vermittlung der Sinne Sein Werk vollbringen und die Seele bewegen....“ So sind alle Re­gungen der Seele göttlich, sind Gottes Akte, aber doch auch wieder Akte der Seele. „Denn Gott vollführt sie mit ihr in ihr, indem sie ihre Einwilligung und Zustimmung gibt“.

Wenn die Seele sagt, der Heilige Geist verwunde sie in ihrem tiefsten Grunde, so meint sie damit, daß es in ihr auch weniger tiefliegende Punkte gibt, den Graden der Gottesliebe entsprechend; nun aber wird ihr Wesen, ihre Wirksamkeit und ihre Kraft berührt und erfaßt. Sie will nicht behaupten, „daß dies ebenso wesentlich und vollkommen stattfinde wie in der seligen Anschauung im anderen Leben....“; sie spricht nur so, „um die überreiche Fülle von Wonne und Seligkeit zum Ausdruck zu bringen, die sie bei diesen Gnadenerweisen des Heiligen Geistes in sich fühlt. Die Wonne ist umso größer und innerlicher, je mächtiger und wesenhafter die Seele in Gott umgestaltet ist“. Das geschieht hier nicht so vollkommen wie im ewigen Leben. „Wohl kann vielleicht die habituelle Liebe der Seele in diesem Leben ebenso vollkommen sein wie im andern, aber nicht ihre Frucht und Wirksamkeit....“ Der Zustand wird aber dem Leben im Jenseits so ähnlich, daß die Seele in der Überzeugung, es sei so, auszusprechen wagt: im tiefsten Grunde meiner Seele. Wer von solchen Dinge keine Erfahrung hat, mag das für Übertreibung halten. Doch „der Vater der Lichter, dessen Hand nicht gekürzt ist und .... in Füllen Segen spendet, .... unterläßt es nicht, an einer Seele, die schon im Feuer der Trübsale .... geprüft, erprobt, gerei­nigt und treu in der Liebe erfunden ist, eben wegen dieser Treue schon in diesem Leben zu erfüllen, was der Sohn Gottes verheißen hat: ,Wenn jemand Ihn liebe, so werde die Heiligste Dreifaltigkeit kommen und Wohnung bei ihm nehmen‘ (Joan. 14,23). Dieses Wohnungnehmen besteht darin, daß der Verstand göttlich erleuchtet wird in der Weisheit des Sohnes, daß der Wille mit Wonne im Hei­ligen Geist erfüllt wird und der Vater die Seele mächtig und innig hineinversenkt in den Abgrund Seiner Liebe“. Bei der Seele, in der die lebendige Liebesflamme brennt, wirkt der Heilige Geist aber etwas noch weit Erhabeneres als jene Mitteilung der Liebe und Um­gestaltung. „Das eine gleicht einer Kohlenglut, das andere ist wie eine Glut, in der das Feuer .... nicht nur glüht, sondern auch als lebendige Flamme emporlodert“. Die einfache Vereinigung gleicht

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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/169&oldid=- (Version vom 7.1.2019)