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Tod und Auferstehung

verursachen.... Wenn er nun sieht, daß er diese Gnadenerweise im innersten Grunde der Seele nicht zu verhindern vermag, so sucht er aus allen Kräften den sinnlichen Teil, in den er eindringen kann, bald durch Schmerzen, dann wieder durch Schreckbilder und Beängstigungen aufzuregen und zu verwirren, um auf diese Weise den höheren und geistigen Teil der Seele zu beunruhigen und zu verwirren im Hinblick auf ein Gut, das er gerade empfängt und genießt. Aber oft, wenn die Mitteilung dieser Beschauung ganz rein sich in den Geist ergießt und ihm Stärke verleiht, hilft dem Teufel all seine Anstrengung, die Seele zu beunruhigen, nichts, sie empfängt im Gegenteil neuen Gewinn, neue Liebe und einen tiefergegründeten Frieden. Denn sobald sie die störende Gegenwart des bösen Feindes gewahrt, zieht sie sich – und das ist ganz merkwürdig – ohne zu wissen, wie es geschieht, und ohne ihrerseits etwas zu tun, um so tiefer in das Innerste des Seelengrundes zurück und fühlt dabei gar wohl, daß sie sich in einer sicheren Zufluchtsstätte befindet, wo sie sich mehr vom bösen Feinde entfernt und vor ihm verborgen weiß.... Doch alle diese Befürchtungen befallen sie nur mehr äußerlich; sie nimmt es ganz deutlich wahr und freut sich zu sehen, wie sie in solch vollkommener Sicherheit jenen stillen Frieden und jene Süßigkeit des Bräutigams im Verborgenen genießen kann, jenen Frieden, den die Welt und der Teufel weder geben noch nehmen können.... Manchmal aber, wenn die geistigen Mitteilungen nicht allzu tief sich dem Geist einsenken, sondern auch den sinnlichen Teil berühren, vermag der böse Feind mittels der Sinnlichkeit viel leichter den Geist durch solche Schrecknisse zu verwirren und zu stören. Und dann ist die Qual und Pein, die er im Geist hervorruft, sehr groß, ja bisweilen unsäglich groß. Da es sich hier um ein unverhülltes Gegenüberstehen von Geist und Geist handelt, so sind die Schrecknisse, die der böse Geist im guten Geist, d.h. in der Seele, verursacht, unerträglich, sobald seine Verwirrung sich ihrer bemächtigt.... Zu andern Zeiten kommt es vor, daß der Teufel Gnadenerweisungen wahrnimmt, die Gott mittels eines guten Engels der Seele mitteilt; denn Gott läßt es gewöhnlich zu, daß der Widersacher diese .... Gunstbezeugungen erkennt...., vor allem, damit er gegen die Seele vorgehe, wie es ihm der Gerechtigkeit zufolge zusteht...., und damit er nicht sagen könne, es sei ihm keine Gelegenheit gegeben worden, die Seele in seinen Besitz zu bekommen.... Und dies wäre der Fall, wenn Gott nicht eine gewisse Gleichheit zwischen den beiden um die Seele streitenden Parteien, zwischen dem guten und bösen Engel zuließe. So wird der Sieg ehrenvoller und die siegreiche und in der Versuchung treu bewährte

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Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/132&oldid=- (Version vom 7.1.2019)