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Entblößung der geistigen Kräfte in der aktiven Nacht

wie es zweckdienlich ist....; denn Er will ...., daß der Mensch auf die göttliche Anregung und das göttliche Wirken in seinem Herzen achte, da jedes Werk in seiner Kraft vollbracht werden muß“.

Der Rückgang im Glauben infolge solcher Werke betrifft in erster Linie den Nächsten. Wer ein Wunder wirken will, ohne daß Zeit und Umstände es erfordern, begeht eine schwere Sünde, weil er Gott versucht. Mißlingt der Versuch, so kann das den Glauben in den Herzen schwächen und in Mißachtung bringen. Man kann aber auch in sich selbst Schaden erleiden am Verdienst des Glaubens. „Denn .... je mehr Zeichen und äußere Beweise man für eine Sache hat, desto geringer ist das Verdienst des Glaubens“. – Alles deutet darauf hin, daß es Gott nicht liebt, sich durch Wunder zu offenbaren. Wenn Er es tut, so geschieht es nur, „um jemand zum Glauben zu führen oder aus andern Absichten, die sich auf Seine und Seiner Heiligen Verherrlichung beziehen“. „Darum verlieren jene viel an Verdienst des Glaubens, die ein besonderes Wohlgefallen an diesen übernatürlichen Werken finden“[1].

Die Seele, die auf solche Freuden verzichtet, verherrlicht Gott und erhebt sich über sich selbst. Es ist eine Erhöhung Gottes in der Seele, wenn „das Herz .... sich losreißt von allem, was nicht Gott ist....“ Zugleich aber ist auch die Seele erhoben, wenn sie sich Gott allein zuwendet. Er offenbart ihr Seine Erhabenheit und Größe und gibt ihr kund, was Er in sich ist. „Wird Gott schon in Wahrheit dadurch erhöht, daß man seine Freude keinem Geschöpf zuwendet, so noch mehr durch die Nichtbeachtung dieser .... wunderbaren Dinge....“ Gott wird ferner um so mehr erhöht, je mehr man Ihm vertraut und ohne Zeichen und Wunder dient. „Denn dann glaubt der Mensch mehr von Gott, als ihm Zeichen und Wunder dartun können“. Dafür gelangt die Seele zu einem viel reineren Glauben. Gott gießt ihn ihr in reichlichster Fülle ein und vermehrt auch Hoffnung und Liebe. So genießt sie „die erhabenste göttliche Erkenntnis durch die dunkle und entblößte Haltung des Glaubens; die höchste Wonne der Liebe durch die göttliche Liebe, worin der Wille an nichts mehr Freude findet als allein am lebendigen Gott; Befriedigung im Willen(?)[2] durch die Hoffnung. Dies alles ist ein


  1. a. a. O. B. III Kap. 30, E. Cr. I 362 ff.
  2. So steht im Text, man sollte aber eher erwarten: im Gedächtnis, als dem Vermögen, das der Hoffnung entspricht.
    <Befriedigung im Willen ist nach thomistischer Auffassung richtig; s. Sum. Theol. II, q 2 a 18 c.: Spes est in appetitu superiori, qui dicitur voluntas, sicut in subjecto“.>
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/090&oldid=- (Version vom 3.8.2020)