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Entblößung der geistigen Kräfte in der aktiven Nacht

jene, die ihnen mißfallen. Gott aber gefallen meist, besonders bei fortgeschrittenen Seelen, die Werke weit besser, die mehr Selbstüberwindung fordern. – Schließlich macht die eitle Freude am eigenen Werk „unempfänglich für guten Rat und vernünftige Belehrung“ über das, was man tun sollte. „Solche Seelen werden aber sehr schlaff in der Liebe zu Gott und dem Nächsten, denn die Eigenliebe auf Grund ihrer Werke läßt sie in der Liebe erkalten“[1].

Entsagt man der eitlen Freude, so bleibt man bewahrt „vor vielen Versuchungen und Täuschungen des bösen Feindes, die in der Freude an solchen Werken verborgen liegen....“ Die eitle Freude allein ist schon Täuschung. Dazu kommt als zweiter Vorteil, „daß die Seele bei ihren Handlungen mit mehr Überlegung und Gewissenhaftigkeit zu Werke geht“. Denn die leidenschaftliche Freude beeinträchtigt den Einfluß der Vernunft und macht die Seele unbeständig in ihren Vorsätzen und Handlungen. Sie richtet sich dann nur nach ihrem veränderlichen Geschmack und läßt die wichtigsten Werke unvollendet, wenn der Reiz geschwunden ist. Verzichtet dagegen der Wille auf die natürliche Befriedigung, dann kann er ausharren und ans Ziel gelangen. So gelangt man auch zur Armut des Geistes, die der Heiland selig preist. Man wird sanftmütig, mild und klug in seinem ganzen Betragen, handelt nicht mit Ungestüm und Hast, weiß nichts von Anmaßung. So macht der Verzicht auf die eitle Freude „angenehm vor Gott und den Menschen, befreit die Seele von der Habsucht, von der geistigen Genußsucht und Trägheit, vom geistigen Neid und zahllosen anderen Lastern“[2].

Als fünfte Gruppe behandelt Johannes die übernatürlichen Güter, d.h. „alle Gaben und Gnaden Gottes, die unsere natürliche Fähigkeit und Kraft übersteigen und .... dona gratis data genannt werden, z.B. die Weisheit und Wissenschaft, die Salomon empfing, und die Gnaden, von denen Paulus spricht....: ,Der Glaube, die Gabe, Kranke zu heilen, die Wunderkraft, die Gabe der Weissagung, die Kenntnis und Unterscheidung der Geister, die Sprachengabe und die Gabe der Sprachenauslegung’ (1 Cor. 12, 9-10)“. Ihre Wirksamkeit bezieht sich „auf das Heil der Menschen, und zu diesem Zweck .... sind sie von Gott verliehen“. (Dagegen zielen die geistlichen Gaben, die später behandelt werden, auf den Verkehr zwischen Gott und der Seele.) Die übernatürlichen Gaben haben als zeitliche Wirkung die Heilung von Krankheiten, Erteilung des Augenlichtes an Blinde, Totenerweckungen u.dgl., als geistige Wirkung die Erkenntnis


  1. a. a. O. B. III Kap. 27, E. Cr. I 353 ff.
  2. a. a. O. B. III Kap. 28, E. Cr. I 357 f.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/088&oldid=- (Version vom 3.8.2020)