VI |
VI
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En mi pecho florido, | An meiner blüh’nden Brust, |
Que entero para él sólo se guardaba, | Die sich für ihn allein bewahrte, |
Allí quedó dormido, | Entschlief er sanft, |
Y yo la regalaba, | Ich streichelte ihn sacht, |
Y el ventalle de cedros aire daba. | Und Kühlung gab des Zedernfächers Wehen. |
VII |
VII
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El aire de el almena | Als leicht der Morgenwind |
Cuando ya sus cabellos esparcía, | Die Haare spielend ihm begann zu lüften, |
Con su mano serena | Mit seiner linden Hand |
En mi cuello hería, | Umfing er meinen Nacken, |
Y todos mis sentidos suspendía. | Und alle meine Sinne mir entschwanden. |
VIII |
VIII
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Quedéme, y olvidéme, | In Stille und Vergessen |
El rostro recliné sobre el Amado, | Das Haupt auf den Geliebten hin ich lehnte, |
Cesó todo y déjeme, | Entsunken alles mir, |
Dejando mi cuidado | Verschwunden war die Angst, |
Entre les azucenas olvidado. | Begraben unter Lilien im Vergessen. |
Das dichterische Bild ist vollkommen durchgeführt, kein lehrhaftes Wort durchbricht es. Dafür geben die beiden erklärenden Traktate, Aufstieg und Dunkle Nacht, den Schlüssel zum Verständnis.
Die Seele, die das Lied singt, hat die Nacht durchschritten, sie ist am Ziel angelangt, in die Vereinigung mit dem göttlichen Geliebten eingegangen. Darum ist es ein Preislied auf die Nacht, die Weg zu seligem Glück geworden ist. Der Jubelruf: o glückliches Geschick! klingt wiederholt auf. Aber Dunkelheit und Angst sind nicht vergessen. Es ist noch möglich, sich rückblickend hineinzuversetzen.
Das Haus, das die Braut verlassen hat, ist der sinnliche Teil der Seele[1]. Es ist in Ruhe, weil alle Gelüste darin zum Schweigen gebracht sind. Die Seele konnte sich aus ihnen zurückziehen, weil Gott
- ↑ Aufstieg, B. I Kap. l, E. Cr. 136.
Edith Stein: Kreuzeswissenschaft. Editions Nauwelaerts, Louvain 1954, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Kreuzeswissenschaft.pdf/038&oldid=- (Version vom 3.8.2020)