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Trauakt unter den „Brauthimmel“ holt. Wir stellten den Sessel für Erna an einen Pfeiler zwischen zwei Fenster, wo sonst mein Schreibtisch stand. Darüber hing ein Bild des hl. Franziskus von Cima. „Das müssen wir wohl fort tun“, sagte Arno, in dem Gefühl, daß der Heilige wohl kein ganz passender Zeuge bei einer jüdischen Trauung sei. „Laß es ruhig hängen“, erwiderte ich, „es wird niemand darauf achten“. Es blieb an seinem Platz. Erna war eine ungewöhnlich schöne Braut. Auf dem liturgisch geschmückten Sessel zwischen grünen Pflanzen saß sie wie eine orientalische Prinzessin. Ich sah auf den hl. Franziskus über ihrem Kopf, und es war mir ein großer Trost, daß er da war.

Das Brautpaar fuhr nach der Hochzeit ins Riesengebirge. Erna schrieb mir von dort einen überglücklichen Brief, Sie müßte mir sagen, wie schön es sei, weil sie wüßte, daß ich mich mit ihr freuen würde. Nun war ich beruhigt und fühlte mich frei, für mich selbst Sorge zu tragen.


Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Aus dem Leben einer jüdischen Familie. Editions Nauwelaerts, Louvain 1965, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Aus_dem_Leben_einer_j%C3%BCdischen_Familie.pdf/181&oldid=- (Version vom 31.7.2018)