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König gerichteten Antrag vom 2. März 1739 Nachdruck, indem er sich erbot, das kurze Zeit von Dr. Mittermeyer für die Dresdner Feldschere und Barbiergesellen gehaltene Kollegium gegen ein „Salarium“ fortzusehen.

Es ist aus diesen drei Mittheilungen ersichtlich, daß zwar nicht die Anfänge, aber die Vorläufer einer chirurgischen Lehranstalt bis in das Jahr 1736 zurückzuverfolgen sind. Das was Mittermeyer damals für die Feldschere etc. gethan hat, bleibt indeß, so nützlich es gewesen sein mag, viel zu weit von einer organisirten Lehranstalt zurück, als daß auf Mittermeyer die geistige Urheberschaft des späteren Collegium medico-chirurgicum zurückgeführt werden dürfte.

Was ist nun auf die Anträge der Dresdner Barbiergesellschaft und des Stabsmedikus Dr. Sembdor erfolgt? Am 13. September 1739 verlangt Graf Brühl ein Gutachten, indem er das Geheime Kriegsraths-Collegium um Antwort auf die Fragen angeht: ob es nützlich und nöthig sei, ein solches Anatomicum in Dresden zu besitzen, wie hoch das Gehalt des Lehrers zu berechnen und woher es zu nehmen sei, welcher Ort für die anatomischen Arbeiten zu wählen sei, und ob auf Dr. Sembdor oder ein anderes geschicktes Subjekt zu rücksichtigen sei. Dieses Gutachten erstattet am 14. Januar 1740 der Generalstabsmedikus Dr. Franz Josef Hoffmann, aber nicht etwa in dem engbegrenzten Umfange der gestellten Fragen, sondern indem er den Verfassungsplan einer ordentlichen Lehranstalt in allen ihren Einzelheiten darlegt.

Einleitungsweise rühmt er den Nutzen der Anatomie und Chirurgie unter Hinweis auf Frankreich, Italien, England und Holland. Dann empfiehlt er die Hergabe von Kasernenräumen für die Zwecke der Anstalt, die Versorgung der Anatomiekammer mit den Leichen Hingerichteter, sowie die Anstellung nicht bloß von einem, sondern von drei Lehrern: einem Medikus als Professor der Anatomie, der zugleich die Anfangsgründe der Physiologie lehre, einem Medikus als Direktor der Akademie und Professor der Chirurgie, und einem Chirurgen mit dem Charakter als Generalstabschirurg. Auch an eine praktisch fortbildende Klinik denkt Hoffmann, wenn er vorschlägt, daß das Dresdner Lazareth[1] darauf eingerichtet werden möge, die in und um Dresden erkrankenden Soldaten aufzunehmen, damit die jungen Chirurgen sehen, wie ihr vorgesetzter Professor praktizirt, und damit sie selbst Hand anlegen und in der Handhabung der Instrumente, in Kunstgriffen und in Unerschrockenheit sich üben. Mit der Hindeutung darauf, daß es zur Bergung der beim Unterrichte entstehenden Leichenabfälle eines anzuweisenden Kirchhofs bedarf, schließt das Gutachten, aus dem klar zu ersehen ist, daß Hoffmann, obwohl er seinen Plan nicht ausdrücklich den eines Collegium medico-chirurgicum nennt, doch alle wesentlichen Bestandtheile einer besonderen Lehranstalt ins Auge faßt.

Dieser Plan gelangte am 15. Januar 1740 in die Hände des Geheimen Kriegsraths-Collegiums, um diesem, zugleich mit einem ähnlichen Gutachten des Leipziger Professors der Chirurgie Platner, als Unterlage für seine Entschließungen zu dienen. Vor Weiterem drängt sich nun die Frage auf: Was hat es mit dem Gutachten Platners für ein Bewenden? Wann ist es erstattet worden? und hat es Platner aus eigenem oder auf fremden Antrieb erstattet? Hat es die Entwickelung des Dresdner Collegium medico-chirurgicum beeinflußt? Da mir nur eine Abschrift des Platner’schen Planes ohne sein Begleitschreiben und ohne Zeitangabe vorgelegen hat, so lassen sich die Fragen schwer beantworten. Da das Geheime Kriegsraths-Collegium am 6. Februar 1740 den Plan Platners als einen „ehemals entworfenen“ bezeichnet, so ist es wahrscheinlich, daß Platner, der schon seit 1721 an der Universität Leipzig lehrte, Monate, ja vielleicht Jahre vor der Hoffman’schen Berichterstattung seinen Plan eingereicht und somit den Anstoß zu jenem 1736 geäußerten Verlangen des Königs nach einer Anatomiekammer gegegeben hat. Näheres über diese Zeitfrage zu erfahren ist mir nicht gelungen, da die archivalischen Nachrichten der Universität Leipzig in diesem Punkte nicht genügend weit zurückreichen. Daß Platner zu seiner Darlegung behördlicherseits aufgefordert worden sei, ist nicht zu erkennen. Es lag von Haus aus ein militärisches Bedürfniß, die wissenschaftliche Vervollkommnung des Militär-Sanitätspersonals, vor, das der König nur durch seine militärischen Organe decken lassen konnte. Vermuthlich hat Platner frühzeitig von dem Dresdner Vorhaben auf privatem Wege Kenntniß erhalten und es nun im Interesse der Universität, da er wohl die Entstehung einer Konkurrenzanstalt fürchtete, zu vereiteln gesucht. Sein Versuch, das Augenmerk von Dresden weg nach Leipzig zu lenken, ist erfolglos geblieben. Die Auslassungen Platners aber sind so sachgemäß und überzeugend, daß ich ihren Hauptinhalt noch kurz berühren möchte.

Die dienstfreien Regiments- und Kompagnie-Feldschere, schlägt Platner dem Könige vor, sollen in einer gewissen Reihenfolge in Leipzig einen anatomischen und chirurgischen Kurs durchmachen. Gleichzeitig können sie über innere Krankheiten und Arzneimittel unterrichtet werden. Sechs Barbiergesellen sind als Pensionäre kostenfrei


  1. Mit dem Garnisonlazareth Dresden sah es damals mißlich aus. Zwar hatte man schon 1714 drei in der jetzigen Neustadt außerhalb der Festung vor dem schwarzen Thore auf dem Sande befindliche Gebäude zum Lazareth umgebaut, sie aber weiterhin als Kaserne benutzt, so daß es noch 1740 neben dem Stadtkrankenhause thatsächlich kein Garnisonlazareth in Dresden gab.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/9&oldid=- (Version vom 30.5.2024)