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Jetzo kam nun der erfreuliche achtzehnte November zur Einweihung, wo ich zugleich den Körper einer geköpften Weibsperson erhielt.... Da in Dresden noch nie eine öffentliche Anatomie gesehen worden war, so war die Menge der Zuhörer, von der Excellenz an bis auf den Geringsten, unbeschreiblich groß, und die Reinlichkeit, Anständigkeit und gute Ordnung gefiel allen so, daß ich den andern Tag, nach meiner Stunde, noch für eine ziemliche Anzahl Damen demonstriren mußte, von welchen einige so dreist wurden und selbst in den Körper griffen. Unsre Lehrstunden wurden nun fleißig fortgesetzt, an todten Körpern mangelte es nie, und wir spürten, gleich im ersten Jahre, den daraus entstehenden Nutzen. Es wurde auch ein paar Jahre hernach ein kleines chirurgisches Hospital errichtet, welches aber, bis vor etlichen Jahren, vielen Veränderungen und Unbequemlichkeiten ausgesetzt gewesen. Ich darf kaum anmerken, daß, vom Anfange des Collegii an, alle Regiments-Chirurgi ihre öffentlichen sogenannten Cursus machen mußten. Beinahe hatte ich vergessen zu sagen, wie Ihro Majestät ein paar Jahre nach der Errichtung die schönen Plattnerischen chirurgischen Instrumente[1] und sehr feinen Knochen-Präparaten höchst gnädigst zu kaufen geruhten“ .... Da Ihro Durchlaucht[2] unterthänigst vorgetragen wurde, daß nöthig und nützlich sei, einen Lehrer der Materia medica zu haben, so stifteten Höchst Dieselben eine neue Lehrstelle zu diesem Endzwecke und besetzten sie mit dem rechtschaffenen und gelehrten Herrn Hofarzte Dr. Meuder[3]. Endlich, da Dieselben nach Höchst Dero weißesten Einsicht überzeugt waren, daß ein Hebammen-Institut dem ganzen Lande höchst nützlich sei, so wurde ein solches nicht allein auf zwölf niederkommende Personen, nebst allen darzu nöthigen, geordnet, sondern auch unser sehr geschickter General-Stabs-Chirurgus, Herr Wild, ein vollkommener Hebammenmeister, welcher schon zuvor als solcher bei einer kleinen, von einigen der größten Cavaliers unterhaltenen Hebammen-Schule mit Ruhm gestanden, unterdessen darzu gesetzt, unter der Zeit aber ein anderer, auf Churfürstliche Unkosten, um die Hebammenkunst zu erlernen, auf Reisen geschickt.... Das jetzige[4] Collegium hat zu Deputatis den Herrn Geheimden Kriegsrath v. Borke, welcher noch in seinem acht und achtzigsten Jahre, sich weit mehr um das Wohl des Collegii Mühe giebt, als vielleicht zehen Jünglinge; den Herrn Hof- und Justitienrath Edlen v. Gärtner und den Herrn Hofrath und Leibarzt Löber; zu Lehrern Mich, als General Stabs-Medicum und Lehrer der Anatomie, den Herrn Dr. Demiani, den jüngern, als Lehrer der Praxis, den Herrn Hofarzt Dr. Meuder, als Lehrer der Materia medica und den Herrn Wild, General-Stabs-Chirurgum, als Lehrer der Chirurgie und jetzo Hebammenmeister, zum Prosektor: den Herrn Dr. Hänel, Sekretair des Sanitäts-Collegii.“

So weit Pitschel.

Werden die beiden Darstellungen, die der „Geschichte des Königlich Sächsischen Sanitätskorps“ und die Pitschels, einander gegenüber gestellt, so kann man über das Wissenswertheste, nämlich über die geistige Urheberschaft des Collegium medico-chirurgicum, im Zweifel bleiben. Nur das läßt sich mit Bestimmtheit annehmen, daß die Gründung dieser Lehranstalt in die Regierungszeit Friedrich August&nbspII. (1733 bis 1763) fällt. Es gilt daher nun näher nachzusehen, welcher Mann das Werk, so wie es dem Wesen nach entstanden ist, in seinem Geiste zuerst aufgebaut und zur Kenntniß der ausführenden Behörden gebracht hat.

Machen wir uns mit den aktenkundigen Vorgängen jener Zeit bekannt, so erhalten wir befriedigende Antwort auf die gestellte Frage.

Der Feldmarschall Herzog zu Weißenfels schreibt am 12. März 1743 an das Geheime Kriegsraths-Collegium beiläufig, daß der König am 22. Februar 1736, als ein Stabsmedikus Dr. Mittermeyer um die Erlaubniß zur Unterrichtsertheilung nachgesucht habe, unter Genehmigung des Unterrichtes sich die Bestellung einer Anatomiekammer (Theatrum anatomicum) ausdrücklich vorbehalten habe. Daß in der That der nachgesuchte Unterricht stattgefunden hat, wird bestätigt durch den am 23. Februar 1739 von der Dresdner Barbiergesellschaft an den König gerichteten Antrag, in dem diese ausführt: Der ehemalige und nun verstorbene Stabsmedicus Dr. Johann Mittermeyer hat uns „Studiosis chirurgiae“[5] ein Collegium anatomico-chirurgicum mit großem Nutzen gehalten. In seiner Krankheit ist er durch seinen Schwager, den Stabsmedikus Dr. Sembdor, vertreten worden, den wir den Unterricht auf Staatskosten fortsetzen zu lassen bitten. Stabsmedikus Dr. Christoph Benjamin Sembdor gab dieser Bitte obendrein durch einen gleichfalls an den


  1. Diese stammen wahrscheinlich von dem berühmten Johann Zacharias Platner, geb. 16 .August 1694 zu Chemnitz und gest. 19. Dezember 1747 als hochangesehener Professor der Chirurgie in Leipzig.
  2. Pitschel meint den Kurfürsten Friedrich August III. (reg. 1768 bis 1827).
  3. Wird wohl Georg Christian Meuder gewesen sein, der nach dem biographischen Lexikon seit 1722 Stadt- und Landphysikus in Barby war und bald darauf sächsischer Leibmedikus, Hofrath und 1730 kurfürstlich sächsischer Generalstabsmedikus in dem verbundenen sächsischen und polnischen Heere wurde.
  4. Das des Jahres 1784.
  5. Dieser akademisch klingende Ausdruck beweist nicht den Bestand einer besonderen Unterrichts-Anstalt, sondern ist mit „Chirurgie-Beflissenen“ zu verdeutschen.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/8&oldid=- (Version vom 30.5.2024)