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ieder derer Herren Deputirten das Seinige contribuirete und was davon zu halten raisonirte. Nach Tische legten Sie sich zur Ruhe, und wurde die Anstalt gemachet Morgends Mittwochs den 8. dito mit dem Frühesten auffzubrechen, welches sofort gegen Zwey Uhr geschahe, und kahmen Sie selbigen Tages Frühe gegen 7 Uhr nacher

Görlitz,

daselbst verweileten Sie sich nicht, sondern gingen alsobald (wiewohln nicht den ordinairen Post-Weg) von dar auff

Poncelau [Bunzlau][1]),

und weiln Sie daselbst nicht alsobald frische Pferde haben kunten, hielten Sie Mittags-Mahl, inzwischen war der Wirth bemühet, Pferde zu procuriren, die Er auch endlichen verschaffete. Allhier erfuhren die Herren Deputirten, daß Unser Gnädigster Churfürst numehro verwichenen Sontag, als den 5ten Septembr. st. v. solenniter gekröhnet worden were, welches ein Courrirer, so nacher Dreßden gegangen, versichert hette. Von dar brachen die Herren Deputirten auff und kahmen annoch selbigen Abend bis nach den

Hayn [Hainau],

so ein klein Städtgen ist und 2½ Meile von Liegniz liegt. Von dem Wirthe daselbst wurde die obstehende Avise, daß nehmlich ein Courirer durchgangen und daß die Cröhnung geschehen, ebenfalls confirmiret. Hier hielten die Herren Deputirten vor sich keine Abend-Mahlzeit; sondern discurireten mit dem Wirthe, welcher seiner Profession ein Fleischhauer war und lange Zeit in Pohlen gehandelt hatte, von der Pohlnischen Nation hin und wieder, der Wirth rühmete solche Nation, wie Sie nehmlich sehr tractabel wäre, seinem einfältigen Verstande nach, und machte von Ihrer Redligkeit viel Wesens (so man aber, bis man es anders erfuhr, an seinem Orth gestellet seyn ließ). Nach geendigten Discurs legten sich die Herren Deputirten schlaffen.

Donnerstags den 9ten hujus

brachen die Herren Deputirten gleich vorigen Tages gegen Zwey Uhr auff und kahmen selbigen Morgen mit Thorschluß nacher Liegniz, woselbsten Sie frische Pferde nahmen und sonder einigen Auffenthalt auff Neumarkt zugiengen, allwo Sie, weil es Mittag und Zeit speisens war, im Gasthoffe daselbst das Mittags-Mahl einnahmen. Allhier rencontrirte Sie ein in der Liegniz wohnhaffter Doctor juris, nebst einem Kauffmanne, die beyderseits in Breßlau gewesen und nacher Liegniz zurückreiseten, die affirmireten, daß die Cröhnung ohne einigen Wiederwillen und zu Unsers allergnädigsten Herrns Contentement glücklich von statten gangen were, meldeten aber darbey, daß der Prinz Conti gleich in Begriff were, mit 12000 Mann bey Danzig außzusezen, dahero S. Maj: der neugekröhnete König resolviret weren, alsobald und annoch diese Woche von Crackau nacher Warschau auffzubrechen, umb die Wiedriggesinneten ad obsequium zu bringen; welche Zeitung die Herren Deputirten, ihre Reise vollents bis nacher Breßlau zu beschleunigen, umb die rechte Beschaffenheit der Sachen zu erfahren, veranlaßete. Worauff Sie nach kurzer gehaltener Mahlzeit in wenig Stunden von dar nacher

Breßlau

kahmen und daselbst in das Wirthshauß der Rauten-Cranz genant, so von dem Herrn Kriegs-Rath Lemmeln Ihnen recommendiret war, einkehreten: Man zoge allhier alsobald Erkundigung ein, wie die Pohlnischen Affairen lieffen, wurde durch den Wirth, Herrn Nizschken genant, daß sowohl der Einzug als die Königl. Crönung den Septembr. gar glücklich und friedlich, wiewohl mit fast unaussprechlichen großen Gedrenge abgelauffen were, auch nechst dem die Stadt Crackau Ihrer Maj: gehuldiget und Sie deren Rathsherren bey solcher Huldigung zu Rittern geschlagen hetten, ex Relatione eines daselbstigen Rechtl. Procuratoris, so darbey gewesen, in mehreren vergewissert. Und ob man wohl von baldigem Auffbruch Ihrer Maj: nacher Warschau auch viel pro und contra redete, So hielten doch die Herren Deputirten, in Erwegung, daß der Reichstag seinen Anfang genommen, vor rathsamer, daselbst etwas zu subsistiren und Ihres aus Dreßden nacher Crackau abgeschickten Courirers zu erwarten. Des Abends wurde in dem Wirthshause gespeiset.

Freytags den 10ten hujus

Frühe Morgens ließ sich der Herr von Schmettau, umb denen Herren Deputirten eine Visite zu geben, anmelden, die auch solchen willig admittireten, und weiln nach beyder Theile abgelegten Complimenten, denen Herren Deputirten den berühmbten Dom (welcher zu regardiren Ihnen recommendiret war) zu besehen gelüstete und wohlermelter Herr von Schmettau die Herren Deputirten dahin zu bringen sich offerirte: So begaben Sie sich nebenst dem von Schmettau auff zwey Caroßen daselbsthin und befanden an der Dom-Kirche ein sehr kostbar und nach der alten Architectur sehr magnific auffgerichtetes Gebäude, worinnen viel kostbare und notable Capellen, in welchem unterm Altar des heyl.


  1. Poncelau ist ein alt Keyserl. Städtgen, der Rath ist Catholisch, die Bürgerschafft aber meistens Evangelisch darinne, die Kirche so ganz neu wiederumb erbauet, haben die Catholiquen inne. Sonsten sollen sich die Evangelischen und Catholiquen noch ziemblich wohl vertragen. Es ist aber dieses sonderlich, daß die Catholiquen derer Evangelischen! Leichen und Verstorbene beerdigen, tauffen auch ihre Kinder, wenn aber die Lutheraner Ihre Leichen anderer Orthen begraben oder Ihre Kinder tauffen laßen, müßen Sie denen Catholiquen ebenfalls die Gebühren entrichten.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/65&oldid=- (Version vom 9.7.2024)