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15 Thaler, die übrigen erhielten je nach ihrer im Hospitale oder bei der Kompagnie innegehabten Stellung 12 und 8 Thaler Gehalt neben Quartiergeld oder freiem Quartier.

Klinische Anstalten waren zu jener Zeit mit dem Collegium noch nicht verbunden, sondern wurden erst nach und nach errichtet. Am 22. November 1751 wurde der Plan des Leibarztes Dr. Neid zur Errichtung eines chirurgischen Spitals, zunächst für kranke Soldaten, in demselben Flügel der Kaserne, in dem sich das Collegium befand, genehmigt, und damit eine sogenannte Charité für 12, dann für 16 Betten eingerichtet. In die Regierungszeit Friedrich Augusts III. (1768 bis 1827) fallen für das Collegium beträchtliche Fortschritte. Es wurden z. B. Lehrstellen für die Heilmittellehre und Zahnchirurgie errichtet, ein chirurgischer Instrumentenmacher angestellt und eine Bibliothek gegründet.

Soweit die „Geschichte des Sanitätskorps“. Abweichend hiervon ist die Darstellung Pitschels in seinem Buche von 1784, in dem er sich durchweg als den alleinigen „Erfinder“ der in Rede stehenden Anstalt bezeichnet. Pitschel konnte, wenn diese Behauptung weniger in Thatsachen als in seiner Eitelkeit und Einbildung fußte, was im folgenden noch zu entscheiden ist, 40 Jahre nach dem Aufbau des Collegiums unwiderlegt ein solches Selbstlob aussprechen, denn die meisten Zeugen jener damals mehr als ein Menschenalter zurückgelegenen Zeit, besonders aber die nächstbetheiligten Zeugen Hoffmann und Günther, waren schon längst nicht mehr unter den Lebenden.

Pitschel erzählt: „Als ich, im Jahre 1742, im Junio, als Feldarzt nach Böhmen geschickt wurde[1], fand ich ein Lazareth von 2200 Mann, was das Medizinalwesen anbelangt, in der größten Unordnung. Es waren etwan fünf Regimentsfeldschers da, welchen ich allen ihr verdientes Lob geben muß. Aber der Arzt, welchen ich ablösen sollte, war einer der größten Ignoranten, so ich je gesehen habe, und so waren auch alle Feldschers, einen oder zween ausgenommen. Nachdem mein Vorgänger fort war, regulirte ich zuerst die Feldapotheke, worzu mir ein guter Geselle half; indem der Feldapotheker nicht einmal wuste, was Oxymel Simplex war, vielweniger wie es bereitet wurde. Einige der Feldschers bekamen Hochachtung für mich, da ich, wo es Gelegenheit gab, öfters vom Baue des menschlichen Körpers und von Veränderung des gesunden in einen kranken redete.“

....Mein Feldlazareth war zu Ende des Septembers aufgehoben, und ich kam mit dem kleinen Reste von Kranken nach Dresden. Hier hatte ich mir kaum ein Quartier gemiethet und bezogen, als einen Vormittag etliche Feldschers nebst andern jungen Wundärzten, sechzehn an der Zahl, zu mir kamen und mich baten, ihnen ein Collegium zu lesen etc.“ „Ich dachte ein wenig nach und zeigte ihnen, daß die Lehre von den Knochen ihnen als Wundärzten die nothwendigste sei, und wenn es ihnen so gefiele, so wollte ich ihnen diese .... lesen. Die Leute waren außerordentlich vergnügt darüber. Nur mußte ich mir noch ein Skelet nebst einem Vorrathe einzelner Knochen schaffen, welches mir auch ziemlich glückte. Kurz: In vierzehn Tagen fing ich an, zu professoriren. Da ich in Leipzig schon diese Arbeit getrieben hatte, so wurde es mir nicht sauer, außer daß ich mich auf das kürzeste, einfachste und deutlichste für diese guten Leute einschränken mußte.“

Pitschel theilt nun weiter die Schwierigkeiten mit, gegen die er anzukämpfen hatte in der Verfolgung des Plans, seinen Unterricht auf die gesammte Anatomie auszudehnen. „Wenn ich nur ein paar Körper von Baugefangenen haben sollte und einen Schuppen darzu, so wollte ich gerne zufrieden sein.“ Zu dem Zwecke wendete sich Pitschel an den damaligen Leibarzt von Heucher[2], „seinen medizinischen Vater“, der ihn ermuthigte, sich an das geheime Kriegsraths-Collegium zu wenden. An dieses erstattete er schriftlichen Vortrag, auf den er den Bescheid erhielt, „daß die jungen Leute nicht nur in der Anatomie, sondern auch in den chirurgischen und praktischen Wissenschaften unterwiesen werden sollten“ und daß Pitschel daher einen Plan zu einem „Collegio Medico-Chirurgico“ aufsetzen möchte, nachdem er sich dazu einen Platz in den Kasernen ausgesucht haben würde[3]

Pitschel suchte zunächst den Platz aus, wo das Collegium untergebracht werden sollte (und wo es nach seiner Mittheilung thatsächlich noch 1784 existirte) und erstattete folgenden Vorschlag: „Die lesenden Personen


  1. Es sei hierzu erläuternd bemerkt, daß die sächsischen Truppen aus dem ersten schlesischen Kriege Anfangs Juli 1742 nach Sachsen zurückkehrten.
  2. Heucher geb. in Wien 1677, gest. in Dresden am 25. Februar 1747. Er kam 13 Jahre alt nach Wittenberg, wurde 1696 Mag. phil., studirte in Leipzig, Jena, Altdorf, kehrte 1699 nach Wittenberg zurück, wurde hier Dr. med., 1709 Professor der Medizin, verbesserte das anatomische Kabinet in Wittenberg, gründete den botanischen Garten, wurde 1713 Leibarzt des Königs August II. von Polen in Dresden und erhielt 1721 von Kaiser Karl VI. den Adel.
  3. Auffällig ist es hierbei, daß Pitschel mit keiner Silbe des vom Generalstabsmedikus von Hoffmann schon drei Jahre früher eingereichten Plans zu einem Collegium med.-chir. gedenkt. Entweder hat Pitschel diesen früheren Plan nicht gekannt oder ihn absichtlich verschwiegen. Es ist leicht möglich, daß des Hoffmannschen Plans das Kriegsraths-Collegium sich noch erinnert hat; denn sonst wäre es wohl nicht darauf gekommen, Pitschel zu einem viel größeren Unternehmen zu veranlassen, als es der Bittsteller selbst von Haus beabsichtigte.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/6&oldid=- (Version vom 29.5.2024)