Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/5

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Zwar vereitelte der 1741 ausbrechende schlesische Krieg zunächst ein behördliches Eingehen auf den Plan. Andererseits aber führte dieser Krieg erneut das Bedürfniß nach einem fähigeren Heilpersonal lebendig vor Augen. Ein Mann war es vorzugsweise, in dem die Gedanken Hoffmanns Wurzel gefaßt zu haben schienen, der Kasernenmedikus Dr. Pitschel[1]. Dieser lernte als Leiter der Feldspitäler in Böhmen die Unbrauchbarkeit der sächsischen Unterwundärzte genügend kennen und fühlte sich dadurch veranlaßt, ihnen noch während des schlesischen Krieges gelegentliche Unterweisungen in ihrem Fache zu ertheilen. Als er nach Dresden zurückgekehrt von seinen ehemaligen Hörern um Fortsetzung dieses Unterrichts gebeten wurde, ging er bereitwillig darauf ein, reichte aber auch zugleich 1743 an höherer Stelle einen Plan zur Errichtung eines Collegium medico-chirurgicum ein. Insoweit ging man auf Pitschels Plan ein, als man ihm die gewünschten Vorträge gestattete und ihm dazu einen Raum in einer Dresdner Kaserne anwies. Der somit sehr bescheiden verwirklichte Plan Pitschels erhielt alsbald neue Nahrung durch den blutigen Verlauf des zweiten schlesischen Krieges (1744 bis 1745) und durch den glücklichen Umstand, daß 1746, als der Herzog von Weißenfels gestorben war, der Graf von Hennicke, mit der Uebernahme des Nachlasses vom Kurfürsten Sachsens beauftragt, in den Sammlungen des Herzogs anatomische Präparate vorfand und sie zu Unterrichtszwecken nach Dresden sandte.

Jetzt schlug sich der Hofchirurg (vormals Leibchirurg des Herzogs von Weißenfels) Dr. Günther ins Mittel und befürwortete, sich an den früheren Plan von Hoffmanns anlehnend, von neuem die Gründung eines Collegium medico-chirurgicum. Mittels königlichen Reskripts vom 8. Mai 1748 wurde dieser Plan endgiltig genehmigt zu dem Zwecke, für die Armen tüchtige Wundärzte zu erziehen und das Publikum mit geschickten Wundärzten zu versehen, und so wurde im September 1748 das Collegium medico-chirurgicum in einem Flügel der Kaserne von Dresden-Neustadt für Vorträge eingerichtet. Ein königlicher Befehl vom 7. September 1748 verordnete: „daß in Zukunft keiner, der nicht von dem Collegio medico-chirurgico die aufgegebenen anatomischen und chirurgischen Specimina publica exhibiret, und wegen seiner Geschicklichkeit ein Attestat vom gedachten Collegio erhalten habe, zu einem Regiments-Feldscherplatz zu admittiren sei“. Zugleich ging an alle Regimenter die Weisung, von einem jeden derselben „zwei der qualificirtesten Feldscherer zunächst auf ein Jahr lang zu fleißiger Abwartung obenerwähnter Lectionum und Demonstrationum zu kommandiren, und denjenigen, welche sich durch Fleiß und Applikation distinguiren würden, die Aussicht auf ferneres Avancement zu eröffnen.“ Laut königlichem Generale vom 18. September 1748 wurde auch allen Barbier- und Bader-Gesellen des Landes gegen sehr mäßige Einschreibegebühren gestattet, den Vorlesungen über Anatomie, Physiologie, Chirurgie, Pathologie und Therapie beizuwohnen[2] und an den praktischen Uebungen auf dem anatomischen Theater gegen Erlegung von 12 Thalern theilzunehmen. Ferner wurde ihnen bekannt gemacht, daß nach des Königs Willen diejenigen von ihnen, „welche bei erwähntem Collegio medico-chirurgico das Examen ausgestanden und zur Treibung der Chirurgie tüchtig befunden worden, auf die von selbigem darüber erhaltenen Attestate, bei denen Barbirer- und Bader-Innungen, ohne daß es eines weiteren Examens bedarf, zum Meisterrecht admittiret, diejenigen auch, welche ihren Operations-Cursum bei besagtem Collegio gemacht, und mit einem Zeugniß dieserhalb versehen, sowohl bei Erkaufung der Barbier- und Baderstuben etc. also auch insbesondere bei Besetzung derer Amts- und Raths-Barbierstellen, andern, welche dergleichen nicht vor sich haben, vorgezogen werden sollen.“

Nach Fertigstellung eines großen Hörsaals in der Kaserne fand am 18. November 1748 die feierliche Eröffnung der Lehranstalt statt. Zunächst waren vier, anfangs unbesoldete, Lehrer thätig, von denen, dem königlichen Willen gemäß, zwei (der für Pathologie und Therapie, sowie der für Chirurgie) dem militärärztlichen Stande selbst angehören mußten. Diese vier verdienstvollen Männer waren: der Generalstabsmedikus und Leibarzt Dr. Christian Heinrich Hänel[3], der Kasernenmedikus Pitschel, der Hofmedikus Dr. Samuel Kretzschmar[4] und der vorerwähnte Hofchirurg Friedrich Gottlob Günther. Ueberdies wurden bald sechs der unterrichtetsten Kompagnie- und Lazareth- Feldscherer, die die nächste Anwartschaft auf Regiments- Feldschererstellen hatten, als Pensionar-Feldscherer angestellt, um als Assistenten der Lehrer verwendet zu werden. Der als Prosektor dienstleistende Assistent bekam monatlich


  1. Dr. Friedrich Lobegott Pitschel, geb. zu Tautenburg in Thüringen 1714, scheint in Leipzig studirt und hier Vorträge gehalten zu haben, wurde später (wahrscheinlich erst 1781) Generalstabsmedikus und starb am 10. September 1785.
  2. Dies war den Barbieren für die von dem Prof. Schamberg 1704 in Leipzig gegründete Anatomie schon 1705 gestattet.
  3. Hänel, der frühere Feld- und Kommissariatsmedikus, war der Nachfolger des 1746 verstorbenen von Hoffmann als Leiter des sächsischen Militär-Sanitätswesens; er starb 1777.
  4. Kretzschmar wird von Pitschels Nachricht über das Kollegium nicht erwähnt. Dagegen wird er von Börners „Nachrichten von den vornehmsten Lebensumständen etc.“ III. Bd. (1755) unter den „Königl. Chursächß. Hof-Medici“ aufgeführt.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/5&oldid=- (Version vom 29.5.2024)