Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/41

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

nicht ehe innewerden können, bis erst das Geschrei von der Gassen hinauf erschollen, nachdem inzwischen das Feuer daselbst schon dergestalt zu Kräften kommen war, daß es bei denen Sprossen und Seigerschellen mit voller Lohe aus der hohlen Spitzen herunterwarts auf allen Seiten herausgeschlagen und gleichsam wie aus einem Bierfasse herausgewalzet, maßen denn an der Feuerglocken, ehe selbige angezogen werden können, das Seil bereits abgebrannt gewesen und also nur noch an der großen Seigerschelle, an deren Hammer zu öberst eine eiserne Kette war, 10 bis 12 Schläge zum Sturm angebracht worden, durch welche gählinge unversehene Gluth bald darauf in sehr kurzer Frist die darunter befindliche und aus lautern Holzwerk bestehende Haube, soweit sie mit Kupfer bedecket und bis auf das Gemäuer, dergestalt in vollen Brand gerathen, daß keine Rettungsmittel darwider zu ersinnen gewesen. Als nun solcher Brand, davon die ganze Stadt erleuchtet worden und mit männigliches höchster Bestürzung anzusehen gewesen, bei anderthalben Stunden lang gewähret, ist endlich die lange Thurmspitze bei den Sprossen, da die Seigerschelle gestanden, losgebrannt und mit dem obern Theil samt dem Knopfe und Kreuz der großen Kirchthür gegenüber in das seithalben nach der linken Hand zu stehende Eckhaus[1] herabgefallen, woselbst sie das halbe Ziegeldach eingeschmissen und zugleich die Mauer oben am Simse ziemlichen beschädiget, mit dem untersten und dicken Ende aber in den zur linken Hand gegen Mittag stehenden Seitenthurm ein- und durch das Kupferdach durchgeschlagen, also daß selbiges von den flammenden Bränden angezündet und hierdurch dieser Seitenthurm von außen und oben her gleichergestalt in völligen Brand gesetzet worden; wie denn auch zugleich etliche brennende Balken sambt einem großen Stück von dem damaligen steinern Geländer des obersten Umgangs auf der Morgenseiten mit großen Geprassel auf das Kirchdach heruntergefallen, daß solches nicht allein sehr zerschmettert, sondern auch sofern, daß es oben am Fürsten bereits angefangen zu brennen, angezündet, jedoch aber vermittelst fleißiger Gegenwehre bei Zeiten wieder gedämpfet und also die Kirche vor fernerer Gefahr noch gerettet worden.

Inmittelst hat der Vestungs-Obriste Tit. Herr Johann Siegmund von Liebenau, so bei diesem Brande stets zu Pferde gesessen und aller Orten gute Anordnung thun helfen, das heruntergefallene Kreuz sambt dem Knopfe, so geborsten und aufgesprungen gewesen, nebenst denen ... darinnen befundenen Sachen in Verwahrung genommen und solche hernach E. E. Rathe überantworten lassen, welche aber nachgehends allesambt von dannen ferner in den geheimen Regierungs-Rath geliefert worden.

Nachdem nun auf erfolgeten Abfall der Spitze die vorhin besorgete augenscheinliche Leib- und Lebensgefahr, darvor bishero niemand sich hinanzuwagen getrauen dürfen, sich etlichermaßen verloren, ist vermittelst gedachten Herrn Vestung-Obristens und derer andern Herren Officirer sowohl auch derer Herren Bürgermeister, Rathspersonen und Viertelsmeister fleißige Anordnung und Aufsicht zur Löschung und Gegenwehre embsige Hand zu Werk geleget, die Gassen umb die Kirche herumb mit bewehrten Musquetirern besetzet, das Wasser durch das Bürger- und Handwerksvolk die große und kleine Treppe hinauf aus einer Hand in die andere bis zum Feuer eiligst hinaufgeschaffet und ohn Unterlaß aller möglicher Fleiß, die Gluth zu dämpfen und die Glockenstühle zu retten, angewendet worden. Wiewohl nun das Wetter an sich selbsten ganz stille gewesen und kein Wind im geringsten sich merken lassen, außerdem daß nur die Luft in etwas mittagwärts gestrichen, so hat doch die Gluth dermaßen überhand genommen und nach und nach sich immer weiter herunter gezogen, daß sowohl der hohe mittlere als auch der Seitenthurm zugleich an beiden Orten ganzer sechs Stunden lang bis gegen Morgen nach 4 Uhr in voller Flamme gestanden und lichterlohe oben hinaus gebrennet, da denn das Kupferdach des mittleren Thurms, nachdem die Haube von inwendig am Holzwerke durch das Feuer gänzlich verzehret, auf das Gemäuer sich niedergesetzet und darauf hängen blieben, das andere aber vom Seitenthurm mehrentheils auf die Gasse heruntergefallen.

Ob nun wohl die ausschlagende Flamme und größte Gluth endlichen gutermaßen gedämpfet, so hat man doch Freitags den 30. Aprilis nicht allein den ganzen Tag über, sondern auch die folgende Nacht durch zu gänzlicher Tilgung des Feuers mit stetigen Wasser-Zutragen und Gießen unnachläßlich continuiren, darneben aber zugleich, weil aus dem Seitenthurm viel Feuer und Brände durch den offenen Gang, da die Glockenstränge hinuntergehangen, zu unterst in die Kirche hinabgefallen, daselbst zu Abwendung fernerer Gefahr ebenermaßen nöthige Gegenwehre thun müssen, wie denn von dem vielfältigen Gießen die Kirche inwendig fast über und über mit Wasser überschwemmet gestanden. Bei währenden Brande nun seind nicht allein die zwo Seigerschellen

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/41&oldid=- (Version vom 6.6.2024)
  1. Nach den Akten B. II. 3 Bl. 77 das Hans des Seidenstickers Michael Walckoph, jetzt Kaufmann Reins Haus an der Kreuzkirche Nr. 16. In den Thurmknopf waren 1582 das Konkordienbuch, die Kirchen- und Schulordnung, eine Gedächtnißschrift auf Pergament und eine Blechbüchse mit Gold- und Silbermünzen eingelegt worden. Beim Aufschlagen auf das Dach sprang der Knopf auseinander und fiel auf die Gasse herab in das zum Löschen aufgedämmte Wasser der Kaitzbach. Die beiden Bücher fanden sich darin ganz unversehrt, das Pergament aber zu Asche gebrannt vor, während die Blechbüchse auf dem Boden des Hauses liegen geblieben war.