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Sie erheben sich so ziemlich auf der Stelle, wo bis 1817 das auf Befehl Augusts des Starken durch den General Johann Georg Maximilian von Fürstenhof[1] im Jahre 1718 errichtete sogenannte Weiße oder Leipziger Thor sich befand; ein großartig angelegter, doch nie vollendeter Bau. Lange schwankte man, ob man diesem oder dem Schwarzen, auch Bautzner Thore neue Wacht- und Accisgebäude geben sollte. Endlich aber entschied man sich für Ersteres, wohl um dem großen Palaisplatze nach Abend einen würdigeren Abschluß zu geben, als es bis dahin mit dem alten ruinenhaften Thore der Fall gewesen war.

Nach langen Verhandlungen mit der Demolitionskommission, dem Geh. Finanzkollegium, der Accis- und Geleits-Einnahme, der Polizeidirektion und dem Militärbauamte, dessen Vorstand, der Ingenieuroberstlieutenant Ulrich, unserem Thormeyer vielfache Unannehmlichkeiten bereitete, erlangte endlich der vorgelegte Plan die königliche Genehmigung, und am 14. Mai 1827 wurde der Architekt mit dem nach approbirtem Risse auszuführenden Baue betraut. Eine zweite königl. Verordnung vom 19. Mai desselben Jahres bestimmte die Beiseitelegung des Projektes mit dem Schwarzen Thor und die Verwendung der dazu bestimmten Gelder für das Weiße Thor.

Bereits am 13. August 1827 bittet Thormeyer um ein Berechnungsgeld in der Höhe von 1000 Thalern, da er Steinwerk habe anfahren lassen und der Demolitionskommission für alte, aber noch gute und brauchbare Quader und Halbquader, von den niedergelegten Wällen stammend, die Summe von 516 Thlr. 2 Gr. 4 Pf. schuldig sei. Mit diesen Vorbereitungen endigte die Bauzeit des Jahres, so daß man nicht viel über das Ausheben des Grundes hinaus kam.

Im nächsten Frühjahr begannen unter Leitung des Maurermeisters Sonntag die Gründungsarbeiten, welche in dem an dieser Stelle lockeren, aufgeschütteten Erdreich sehr tief geführt werden mußten und wegen der großen Nähe der Elbe sogar einen Schwellrost erforderten. Im Laufe des Sommers 1828 wurden beide Thorhäuser im Rohbau vollendet, im nächsten Jahre als vollständig fertig ihrer Bestimmung übergeben.

Das der Königstraße zunächst liegende Gebäude enthielt Wohnung und Expedition des Accisthorschreibers Mittag, eine Stube für dessen Assistenten Stöckel und eine Expedition für den Polizeithorschreiber, welche die ihnen angewiesenen Räume im August 1829 bezogen. Das gegenüber liegende Thorhaus, dessen Giebelfeld kriegerische Embleme zeigt, war zur Wache bestimmt und hatte nach der Straße statt der Thüre eine offene Halle, welche Offizier- und Mannschaftsstube trennte. Außer einer Hausmannswohnung barg das Gebäude in seinem Mezzaningeschoß noch die sogenannte Stockwacht, d. h. Arrestlokal für die Mannschaft. Am 28. September bezog eine Abtheilung Infanterie diese Wache zum ersten Male, und kann man von dem Tage an die Eröffnung dieses verkehrsreichsten Thores datiren.

Der von Thormeyer gemachte Kostenanschlag für beide Thorhäuser bezifferte sich auf 23 034 Thlr. 22 Gr. 6 Pf., doch erheischte der Grundbau einen nicht vorhergesehenen Mehraufwand, ebenso einige vom Militärbauamte verlangte Aenderungen der inneren Anlage des Wachtgebäudes, so daß ein Mehrbetrag sich herausstellte, durch den die Summe des Bauaufwandes auf 26 362 Thlr. 18 Gr. 11 Pf. stieg.

Beide Thorhäuser waren durch eine gußeiserne Stacketerie verbunden, die in der Mitte von einem großen, mit zwei Flügeln versehenen Thore für den Fahrverkehr, sowie rechts und links desselben von zwei kleineren für die Fußgänger bestimmten durchbrochen war. Zwei gewaltige sandsteinerne Schäfte mit Schildern geziert, deren eines den königlichen Namenszug mit Krone, das andere das sächsische Wappen zeigte, dienten dem großen eisernen Gitterthore als Stützpunkte. Hinter den Thorhäusern schloß eine Stacketerie von gleichem Muster den Palaisplatz gänzlich ab.

Der große, durch die in der Nähe mündenden Eisenbahnen bedingte und sich immer stärker entwickelnde Verkehr, sowie die im Jahre 1852 eröffnete Marienbrücke waren die Ursachen, welche die beiden Thorhäuser durch Entfernung der Stacketerie außer Verbindung brachten und ihre jetzige Isolirung bedingten. Zuerst fielen die beiden großen Orthostaten des Thores, ihnen folgte die eiserne Stacketerie und dann wechselten die beiden Gebäude ihre Bestimmung. Die Wache wurde Brückenzolleinnahme, nach Wegfall dieser Abgabe aber eine chirurgische Hilfsstation; das andere Gebäude, dessen Giebelfeld Weinranken und gekreuzte Thyrsusstäbe zeigt, bezog die Wachtmannschaft. Jetzt befindet sich darin das Landwehrbureau. Der Brunnen hinter diesem Gebäude wurde bereits 1829 nach Vollendung des Ganzen dem Röhrmeister Gottfried Franke in Auftrag gegeben und kam seit dem 23. Oktober desselben Jahres zur Benutzung. Die Kosten dafür betrugen 153 Thaler 8 Gr.

Ob Thormeyer große Vortheile bei diesem Bau gehabt hat, möchte zu bezweifeln sein; wenigstens richtet er an den König unterm 3. Dezember 1829 ein Gesuch,


  1. Ein unehelicher Sohn Johann Georgs III. Er wurde 1686 geboren und starb als Kommandant der Festung Königstein (seit 1746) am 15. Juli 1753. Verheirathet war er mit Margarethe Dorothea geb. Küster, welche am 22. Mai 1738 starb.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/35&oldid=- (Version vom 4.6.2024)