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leutseliges als vornehmes Wesen ausgezeichnete Mann das Vertrauen und die Zuneigung der Bürgerschaft in so hohem Grade erworben, daß sie ihm, als er Ende 1874 nach 53jähriger Dienstzeit aus dem Amte schied, ihren Dank durch Verleihung des Ehrenbürgerrechts der Stadt zu erkennen gab. Noch steht sein Bild vor Aller Augen, denn erst am 6. Januar 1891 ist er hochbetagt aus dem Leben geschieden. Niemand ahnte, daß sein damals noch in voller Rüstigkeit wirkender Sohn ihm so bald ins Grab nachfolgen würde!

Mit ihm, dem unvergeßlichen Paul Alfred Stübel, hatte die Familie an äußerem Ansehen wie an innerer Tüchtigkeit den Höhepunkt erreicht, nicht in plötzlichem Aufschwunge, sondern in allmählichem Vorwärtsstreben seit mehr als zwei Jahrhunderten. Den Grund zu dieser aufsteigenden Entwicklung hatte schon der Stammvater Andreas Stübel gelegt, indem er über die Anforderungen seines Standes hinaus den Söhnen eine höhere Erziehung gab, worauf seine Nachkommen in sechs Generationen ohne Unterbrechung den gelehrten Berufsarten angehört haben. So bescheiden die Rolle war, die er selbst, der ehemalige Bauernbursche und reisige Knecht, in der bürgerlichen Gesellschaft spielte – als der Begründer einer unsrer besten Bürgerfamilien hat es dieser treffliche Mann wohl verdient, in der Geschichte unsrer Stadt genannt zu werden.


Nachträgliches über Hofbaumeister
Thormeyer.
Von Galerieinspektor Gust. Müller.

Die erste Nummer des fünften Jahrgangs dieser Blätter enthält einen sehr beachtenswerthen Aufsatz über Thormeyer von Paul Ehmig, welcher um so erfreulicher wirkt, als die jetzige Generation achtungslos an Künstlern und deren Werken vorübergeht, weil sie einer Zeit entstammen, in der man durch möglichste Einfachheit dieselbe Wirkung zu erreichen suchte, welche die Jetztzeit, trotz alles Aufwandes an künstlerischen und technischen Mitteln, gar oft vergeblich zu erreichen bestrebt ist. Jenem Aufsatz noch Manches hinzuzufügen, ihn zu ergänzen und in Wenigem zu berichtigen, sei der Zweck folgender Zeilen.

Thormeyer entstammte keineswegs einer Kaufmannsfamilie. Sein Großvater, Elias Friedrich Thormeyer, war Bürger und Schuhmacher, und als solcher ist auch der Vater unseres Künstlers, Gottlieb Friedrich Thormeyer, im Trauregister der Kreuzkirche angeführt. Nach dem dort befindlichen Eintrag verheirathete er sich am 20. September 1773 mit Christiane Regina, der nachgelassenen Tochter des Bossirers (Modelleurs) bei der kurfürstlichen Porzellanmanufaktur zu Meißen, Joh. Samuel Starke, welche im zweiten Ehejahre am 23. Oktober 1775, früh 1/23 Uhr, ihren Gatten mit dem ersten Kinde, dem nachmaligen Hofbaumeister, beschenkte.

Sein Geburtshaus war das väterliche Besitzthum – Kleine Borngasse Nr. 380, jetzt Nr. 8, Kat.-Nr. 543 –, wo auch der alte Thormeyer im achtzigsten Lebensjahre am 7. Dezember 1833 sein Leben beschloß, nachdem seine Gattin bereits am 20. November 1814, 69 Jahre und 7 .Monate alt, ihm in die Ewigkeit vorangegangen war. Dieses Elternpaar hinterließ zwei Söhne, deren erster unser Künstler, der zweite aber Schuhmachermeister wie Vater und Großvater war, und drei Töchter.

Thormeyer, seit 1800 Hofbaukondukteur, schloß am 22. Juli in der Kirche zu Tharandt den Ehebund mit Juliane Sophie, der am 13. Mai 1780 geborenen Tochter des Hofgärtners zu Uebigau, Joh. Gottfried Hübler, welcher später die gleiche Stelle im Großen Garten bekleidete. Dasselbe Jahr, in welchem Thormeyer Hofkondukteur wurde, sah ihn als trauernden Gatten am Sarge seiner Lebensgefährtin stehen. Sie starb am 18. August 1810.

Unter den Bauwerken, welche Thormeyer ausführte, steht die Brühl’sche Terrassentreppe in erster Linie. Dieselbe verdankt ihr Dasein dem Fürsten Repnin, oder besser gesagt seinem Aerger über den Umweg, den er zu nehmen gezwungen war, wenn er von dem großen Saale, welchen eine Treppe mit der Terrasse verbindet und wo er zu speisen pflegte nach dem Schloßplatz oder zur Brücke gehen wollte. Dieser Schmuck Dresdens, bei dessen Entwurf die Treppe des Kapitols mit dem Abschluß der beiden wasserspeienden Löwen dem Architekten vorgeschwebt haben mag, erfreut sich allerdings nicht mehr der so anmuthenden, harmonischen Vermittelung mit dem Platze, als es bis 1863 der Fall war. In genanntem Jahre wurde die Treppe umgebaut, mit einem Flötz versehen und die beiden, vom Bildhauer Christian Gottlieb Kühn[1] gemeißelten Löwen nach dem Großen Garten verbannt, wo sie nun an der Strehlener Seite den Eingang der großen Quer-Allee bewachen.

Zwei gleichartige, durch ihre einfache, geschmackvolle Auffassung auf den Beschauer so wohlthuend wirkende Bauwerke Thormeyers, die beiden Thorhäuser am Kaiser Wilhelm-Platz, sind in dem Ehmig’schen Aufsatz unerwähnt geblieben.


  1. Geb. zu Dresden am 16. Juni 1780, gest. daselbst am 20. Dezember 1828.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/34&oldid=- (Version vom 4.6.2024)