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21. April 1753 begraben worden. Wenn sie als „Hr. Johann Gottfried Stübels, Accis-Inspektoris in Kamenz, Fr. Eheliebste“ in das Sterberegister eingetragen ist, so weist dies darauf hin, daß er selbst damals noch am Leben war.

Ebensowenig wie der Vater ist auch der Sohn Gottfried Immanuel Stübel hervorgetreten; er war seit 1760 Pfarrer in Pausitz bei Wurzen und starb im Jahre 1786. Aber er hinterließ wieder einen Sohn, der den Namen Stübel von neuem in weiten Kreisen bekannt machte:

Christoph Karl Stübel, geboren zu Pausitz am 3. August 1764. Er erhielt seine Vorbildung auf dem Gymnasium zu Torgau und studirte von 1785 bis 1788 auf der Universität zu Wittenberg die Rechte. Schon 1789 habilitirte er sich dort als Privatdozent bei der Juristenfakultät, wurde 1791 Doktor und 1795 ordentlicher Professor der Rechte. Als solcher las er über Rechtsencyklopädie, Institutionen, Pandekten, Sächsisches und Deutsches Kriminalrecht und Prozeß. Seine wissenschaftlichen Arbeiten bewegten sich hauptsächlich auf dem Gebiete des Kriminalrechts: hervorragend sind zwei von ihm veröffentlichte Werke „über den Thatbestand der Verbrechen“ und „über das Kriminalverfahren in deutschen Gerichten mit besonderer Berücksichtigung Sachsens“. Als die Universität Wittenberg in Folge der Landestheilung 1815 aufgehoben wurde, war er bestimmt, als Rechtslehrer nach Leipzig zu gehen. Ehe er jedoch dahin übersiedelte, erhielt er den ehrenvollen Auftrag, im Verein mit den Hof- und Justizräthen Eisenstuck und Tittmann den Entwurf zu einem Strafgesetzbuche für das Königreich Sachsen auszuarbeiten. Zugleich ward er mit der Aufgabe betraut, den Söhnen des Prinzen Maximilian, Friedrich August und Clemens, dann auch dem Prinzen Johann, der sich später selbst als tüchtiger Jurist bewährt hat, Vorlesungen über die gesammte Rechtswissenschaft zu halten[1]

So wurde mit ihm die Familie Stübel wieder nach Dresden verpflanzt. Im Jahre 1817 wurde er zum Hof- und Justizrath in der königlich sächsischen Landesregierung ernannt, der damit verbundenen Dienstgeschäfte aber, die ihm keine Befriedigung gewährten, 1819 wieder enthoben und angewiesen, die Gesetzgebungsarbeit allein fortzusetzen. Er vollendete den Entwurf des Strafgesetzbuchs im Jahre 1826 und erlebte die Freude, ihn von der Fachkritik sehr günstig beurtheilt zu sehen. Freilich kam das Gesetzbuch erst nach mehrfachen Umarbeitungen, an denen sich die Prinzen Friedrich August und Johann lebhaft betheiligten, im Jahre 1838 zu stande, galt aber dann auch im Auslande als mustergiltig. Am 5. Oktober 1828 schied der ausgezeichnete Mann nach längerem Leiden aus dem Leben[2]. Der Einfluß, den er auf die sächsische Gesetzgebung wie auf die Sinnesrichtung der beiden späteren Könige Friedrich August und Johann auszuüben berufen war, hat noch lange nach seinem Tode segensreich nachgewirkt.

Ganz heimisch war der Wittenberger Gelehrte in Dresden, der eigentlichen Vaterstadt seines Geschlechtes, noch nicht geworden, um so enger verknüpften sich dann die Geschicke seiner Nachkommenschaft mit ihr. Einer von seinen vier Söhnen war Karl Julius Stübel, geboren zu Wittenberg am 11. März 1802. Dieser ließ sich nach Beendigung seiner juristischen Studien als Advokat in Dresden nieder und wurde im Jahre 1830 Mitglied des Rathes und des Munizipalstadtgerichts. Eine lange Reihe von Jahren, zuletzt mit dem Titel eines Geheimen Justizraths, verwaltete er das Amt eines Vorstandes der Abtheilung für Vormundschafts- und Nachlaßsachen beim königlichen Bezirksgericht. In dieser Stellung hatte sich der durch ebenso


  1. Ueber diese Thätigkeit äußert er sich in einem Briefe, den er am 20. August 1819 an seinen Freund, den berühmten Theologen Karl Immanuel Nitzsch in Wittenberg (gest. 1868 als Professor und Oberkonsistorialrath in Berlin), richtete und von dem ich eine Abschrift Herrn Pfarrer D. Buchwald in Leipzig verdanke: „Mir ist es seit unserer Trennung, ich kann nicht sagen unglücklich, nach meinen Gefühlen aber auch nicht ganz glücklich, sondern sonderbar gegangen. Gott hat mich aus der Wittenberger Studir- und Facultätsstube in die große Welt und unter die fürstlichen Personen geführt. Das war nicht mein Wunsch. Und was das Wichtigste ist, ich bin auch dazu nicht geschaffen. Es kann nicht fehlen, daß ich oft anstoße. So wenig ich mich ferner über die neuen Verhältnisse freute, so war ich wegen derselben doch dem Neide und drückenden Kabalen ausgesetzt. Ich wünschte nicht, Instructor vom Prinzen zu werden, machte sogar dagegen Vorstellung, und große Leute suchten es zu hindern, ward, es aber doch. Man suchte mich sogar, nachdem meine Vorlesungen beendiget waren, zu entfernen, allein der König machte mich ohne Denomination zum Hof- und Justizrath und hat mir neuerlich wieder aufgetragen, dem jüngsten Prinzen Johann juridische Vorlesungen zu halten. So laße ich mich herum treiben! In der Landesregierung befinde ich mich nicht wohl. Die täglichen Sessionen laßen mir auch keine Stunde zum Studiren übrig. Und die Arbeiten sind mir zum Theil fremd. Dafür sehe ich mich aber in der Familie des Prinzen Max sehr entschädiget. Man ist mit meinen Bemühungen zufrieden und weit entfernt, mein aufrichtiges und gerades Benehmen lästig zu finden. Ich bin unter den Prinzen ganz der Alte und mache mir es sogar zur Pflicht, ihnen nichts zu verhalten, und sie nehmen das wohl auf. Sie sind an Kopf und Herz ausgezeichnete Menschen. Der König selbst hat sich mehrere mal mit an Tisch gesetzt und Stunden lang zugehöret. Der Vater hat den mehresten Stunden beygewohnet und ließ sich durch die Prinzen entschuldigen, wenn er nicht erscheinen konnte. Ich habe ihnen unter andern das allgemeine Staats- und Völkerrecht mit der größten Unbefangenheit vorgetragen. Die Vorträge waren mit manchfaltigen Repetitionen verbunden, bey denen ich die Herren fragte und wie Schüler behandelte.“
  2. Eisenhart in der Allgemeinen deutschen Biographie, Bd. 36, S. 704
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/33&oldid=- (Version vom 4.6.2024)