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Ciceros. Die ersten beiden Bände dieser Reden hatte er schon 1682, als er noch in Dresden war, veröffentlicht, den dritten ließ er 1705 erscheinen und leitete ihn ein durch Abdruck einer eigenen wohlstilisirten Rede de exscensionibus alumnorum nocturnis, über das höchst verwerfliche nächtliche Aussteigen der Schüler über die Gartenmauer der Fürstenschule. Wenn er geahnt hätte, daß noch 11/2 Jahrhundert später seine eigenen Nachkommen dieser übermüthigen Sitte huldigen würden!

Hof- und Justizrath Dr. Christoph Karl Stübel.
Nach einem Pastellbilde im Besitz der Familie.

Zu größerem Rufe noch als Johann Jakob gelangte sein jüngerer Bruder Andreas Stübel. Auch er verließ im 15. Lebensjahre die Kreuzschule, der er sechs Jahre lang als Alumnus angehört hatte, und besuchte von 1668 an die Meißner Fürstenschule, von der er 1673 mit ausgezeichnetem Lobe entlassen wurde. Darauf widmete er sich fünf Jahre lang philosophischen, philologischen und theologischen Studien an der Universität Leipzig. Nach deren Beendigung bekleidete er mehrere Jahre das Hauslehreramt bei dem Kanzler Freystein in Weißenfels und dann bei dem Prokuraturamtmann Finsinger in Meißen und trat 1682 an die Stelle seines Bruders als Hofmeister beim Präsidenten von Beichlingen in Dresden. Auch er meldete sich 1681 zu dem erledigten Tertiat an der Kreuzschule; auf den Mitbewerb seines Bruders hinweisend, meinte er, jeder von ihnen würde dem andern die Erlangung der Stelle gönnen[1]! Schon 1682 wurde er dann als Tertius an die Nikolaischule in Leipzig berufen, und nur zwei Jahre später erhielt er das Konrektorat an der Thomasschule. „Durch seine Ernennung zum Baccalaureus der Theologie erlangte er 1687 die Berechtigung, an der Universität theologische Vorlesungen zu halten. Bald aber verwickelten ihn seine heterodoxen Ansichten über die Apokalypse und das tausendjährige Reich Christi, die er sowohl mündlich vor seinen Zuhörern als auch in seinen Schriften verfocht, in widerwärtige Streitigkeiten, die schließlich 1697 seine Enthebung von seinem Schulamte, allerdings unter Beibehaltung seiner Besoldung, zur Folge hatten. Auch die Fortsetzung seiner theologischen Vorlesungen wurde ihm untersagt. Stübel ließ sich dadurch in seinen Wunderlichkeiten nicht irre machen und hielt sich allen Ernstes für einen Propheten. So weissagte er aus Anlaß der terministischen Streitigkeiten, daß für die Pietisten das Gnadenziel ganz sicherlich am 15. August 1700 eintreten werde. Und als die Schweden wenige Jahre darauf in Sachsen einbrachen, hielt er König Karl XII. und seine Gefährten für die Könige vom Aufgang der Sonne, von denen in der Offenbarung Kapitel 16, Vers 12 die Rede ist, und die Oder für den Euphrat, der vor ihnen ausgetrocknet sei. Im übrigen war er ein braver und rechtschaffener Mann, und seine chiliastische Schwärmerei hinderte ihn nicht, sich mit unermüdlichem Eifer seinen wissenschaftlichen Beschäftigungen zu widmen“[2]. In der Philologie nimmt er eine sehr bedeutende Stellung ein. „In dieser Hinsicht ist es in der That ganz richtig, was in einem ihm gewidmeten Nachrufe gesagt wird, daß er unter den Zeitgenossen nicht viel seinesgleichen gehabt hat. Seine Schulbücher Latinismus in nuce und Graecismus in nuce wurden mehrmals aufgelegt, und auch sein Novum vocabularium Lipsiense fand in den Schulen Eingang. Sein Hauptwerk aber, das als eine wahrhaft schätzenswerthe Förderung der lateinischen Lexikographie angesehen werden muß, bildet seine Ausgabe von Basilius Fabers Thesaurus, die 1710 in


  1. Rathsakten D. XII, BI. 67.
  2. F. Koldewey in der Allgemeinen deutschen Biographie, Bd. 36, S. 703.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/31&oldid=- (Version vom 4.6.2024)