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Meile im Umkreise der Stadt Eßwaaren oder dergleichen zu erkaufen oder zu „besprechen“, ferner den zu Markte kommenden Bauersleuten vor die Thore entgegen zu laufen und mit ihnen Kauf abzuschließen. Besprechen der Waare bedeutete, daß die Höcker sie beim Bauer vorausbestellten. Ferner mußten die Höcker mit dem Einkaufen warten, bis die Bürger sich versorgt hatten, weshalb ihnen der Kauf nur zwischen 11 und 12 Uhr gestattet war. Der zweite Abschnitt verordnet, daß alles, was aus Böhmen in die Stadt auf den Markt zum feilen Verkauf gebracht würde, daselbst drei Sonnenscheine lang feilgehalten werde, ehe es an die Höcker oder Vorkäufer verkauft werden dürfe. Die auswärtigen Händler mußten sich bei dem verordneten Geleitsmann oder bei dem Richter der Vorstadt an der Elbe anmelden. Der dritte Abschnitt behandelt noch für sich den „schädlichen und schändlichen Entgegenlauf“, der auch für die Folge strengstens verboten sein soll, bei Verlust der Waaren und bei Geldbuße. Die Aufseher sowie die Wächter an den Thoren und die, welche die Schläge aufziehen, werden angewiesen, selbst keinen Markt noch Kauf zu machen und darauf genau Aufsicht zu führen, daß niemand die Bauern, welche Fische, Vögel, Butter, Käse, Getreide, Rüben, Kraut, Erbsen, Heidekorn, Grütze, Hanf, Mohn, Aepfel, Birnen, Quitten zur Stadt bringen, daran hindere oder ihnen die Waaren zuvor abkaufe. Die konfiszirte Waare gehörte zur Hälfte den Aufsehern, zur Hälfte wurde sie in die Spitäler und Schulen gegeben. Der Waisenhausaufseher quittirt im Jahre 1700 einmal über 18 Hühner, dann über 11 Eier, 4 Semmeln, 15 Pfund Brod (zu leicht befundene Brode) oder eine „halbe Mahlzeit“ saure Kirschen und dergleichen mehr.[1]

Im Abschnitt IV, „essende Waaren“, giebt die Verordnung, um der Uebertheuerung der Bürger vorzubeugen, eine genaue Festsetzung der Lebensmittelpreise, nämlich für Geflügel, Eier, Butter, Käse und Speck, im Abschnitt VII für alle Arten Fische, im Abschnitt IX für Holz, im Abschnitt X eine Taxe für die Tagelöhner und Arbeiter, im Abschnitt XI für die Boten. Es heißt darin, da das Korn das „edelste und fürnehmste“ Getreide sei, das kein Mensch entbehren könne, und wenn es im Preise steige, alles andere nachfolge, so hätte man die Taxe am füglichsten nach dem Kornkauf eingerichtet. So kostete nach den beigefügten Tabellen, wenn der Scheffel Korn 20 Groschen galt, z. B. eine gerupfte und gemästete Gans klein 6 Gr., groß 8 Gr., 1 Pfund Lachs 3 Gr., eine Stadtfuhre Holz 1 Gr., Briefträgerlohn bei gutem Wege 11/2 Gr. u. s. w.

Wie wenig diese Verordnung von 1603 trotz der harten Strafandrohung befolgt wurde, erhellt daraus, daß die Viertelsmeister bereits im Jahre 1617 sich mit einer Eingabe an den Kurfürsten wenden, worin sie bitten, doch der Höckerei steuern zu wollen. Am 11. Mai 1637 erging eine kurfürstliche Verordnung, in der das Elend, das der 30jährige Krieg über das Land gebracht, sich nur zu deutlich spiegelt.[2] Es soll nur nach fester Taxe verkauft werden, damit die künstlich durch Vorkauf erzeugte Theuerung nicht die vielen abgebrannten und ausgeplünderten Leute zu sehr beschwere und diese ganz verkommen müßten. Die Vorkaufsverbote und die Verordnungen gegen die Höckerei wiederholen sich im Laufe der Jahrhunderte noch häufig, ein Beweis, wie wenig Geltung sie sich erwarben. Eine Verordnung vom 8. Januar 1653 richtet sich auch gegen Wittwen, Kinder, Hausgenossen und starke, dienstlose Mägde, die die Höckerei als leichten Erwerb betrieben.[3] Eine andere vom 10. Juli 1693 ermahnt die Bewohner, ihre Nahrung lieber durch Arbeit als durch das „unehrbare“ Gewerbe des Vorkaufs und Aushöckens zu suchen; wer aber doch aus gewissen Gründen von der „Krämerei“ nicht lassen könne, der solle sich vor 10 Uhr unter keiner Bedingung und unter keinerlei Vorwande auf dem Markte finden lassen. Uebertreter wurden „jedermann zum Abscheu“ im Halseisen an den Pranger gestellt, zu ihren Füßen die von ihnen vorgekauften Waaren. Im Wiederholungsfalle wurden sie der Stadt verwiesen.[4]

Durch die Höckerordnung vom 19. August 1700 wurden die Höcker erneut vom Altmarkt auf den Neumarkt verwiesen, damit sie den Bauersleuten nicht zu nahe seien und mit ihnen keinerlei Kauf und Handel abschließen könnten.[5] Neue Höcker wurden nur zugelassen, wenn alte abstarben, damit eine gewisse feste Zahl bleibe. Im Jahre 1691 gab es nach einer Zählung des Marktmeisters bereits 100 Höcker, wovon 29 Soldatenfrauen und –Töchter, 21 Wittwen und 12 Siebmacher und andere Professionisten, 38 Bürgerfrrauen und –Töchter, sowie Stallknechte und Trabanten waren.[6] In derselben Verordnung wurde bestimmt, daß kein Butterhöcke Donnerstag nachmittags, wenn die Fremden die Butter auf den Markt brächten, daselbst feil halte, auch daß nicht mit Käsen und gedörrten Fischen in den Straßen hausirt werde, da dadurch dem Rathe das Marktgeld entgehe.[7] Noch im Jahre 1839 sieht sich der Rath veranlaßt, ein Regulativ „das Höckerwesen betreffend“ zu erlassen, wozu ihn viele Beschwerden von Dresdner Einwohnern über den Vor- und Aufkauf der Viktualienhändler und Höcker und dadurch hervorgerufene

Vertheuerung der zu den Märkten gebrachten Lebensmittel


  1. C. XXVII. 2. Bl. 69–77, 111.
  2. C. XXVII. 1. Bl. 24.
  3. C. XXIX. 1. Bl. 4.
  4. C. XXVIII. 5.
  5. C. XXIX. 6. Bl. 6.
  6. C. XXVII. 2. Bl. 83.
  7. C. XXVII. 2. Bl. 93.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/290&oldid=- (Version vom 20.8.2024)