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IX. Jahrgang   1900   Nr. 4.


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Zur Geschichte der Lebensmittelversorgung der Stadt Dresden.
Von Robert Bruck.


II. Kleinhandel mit Lebensmitteln (Höckerei).

In den frühesten Zeiten der Stadt hat sich der Marktverkehr zweifellos lediglich nach den an anderen Orten herrschenden Gewohnheiten vollzogen. Auch als sich im 14. Jahrhundert das Bedürfniß einer schriftlichen Regelung herausstellte, wurden nur einzelne Bestimmungen der in Leipzig geltenden Vorschriften für den Marktverkehr herübergenommen. Diese und eine weitere landesherrliche Verordnung aus der Zeit zwischen 1460 und 1480 richten sich vor allem gegen den Vorkauf. Es herrschte der Grundsatz, daß möglichst öffentlich und aus erster Hand gekauft werden müsse. Vorkauf ist ein Kauf von landwirthschaftlichen Produkten, bevor dieselben zur Versorgung der Bürger auf den Markt gebracht sind. Hierbei ist zu unterscheiden das Aufkaufen größerer QUantitäten, namentlich Getreide, auf Spekulation, also zum Zweck der Einlagerung und des Wiederverkaufs bei günstigerem Preise – was übrigens verboten war – und das Kaufen von Lebensmitteln wie Butter, Eier, Käse, Gemüse, Kohlen, Salz etc. zum Zweck des Detailverschleißes, also um sie wieder einzeln und im Kleinen pfund-, loth-, stück- oder pfennigweise zu einem höheren als dem Einkaufspreise zu verkaufen oder „auszuhöcken“. Wir finden daher die Namen Obsthöcke, Häringshöcke, Käsehöcke. Der Name „Höcke“ oder „Höcker“ wird von hocken, d. h. niedersitzen, oder Hocke, d. h. Bürde, abgeleitet. Diese Höcker übernahmen für den Armen, der von der Hand in den Mund lebte, das Halten von Vorrath zum allmählichen stückweisen Verkauf. Trotzdem wendet sich das Mißtrauen des Gesetzgebers immer wieder auch gegen den Detaillisten und stellt ihn häufig dem „Monopolisten“ gleich. Auch die Dresdner Polizeiordnung vom 27. Februar 1570 ist hauptsächlich gegen die „Hockelei“ als schädlichen Zwischenhandel gerichtet. Diese Marktordnung wurde am 23. August 1603 vom Kurfürsten Christian II. in ausführlicher Weise erneuert, sowie mit einer Lebensmitteltaxe versehen.[1] Der Kurfürst schreibt, der Rath hätte ihm berichtet, daß in Dresden alles aufs Höchste gestiegen sei und jedermann mit Kaufen und Verkaufen nach seinem Gefallen lebe, Aufsätze mache, Schinderei und Wucher treibe. Auf Mittel und Wege bedacht, diesem abzuhelfen, besonders um die langwierige Theuerung und Steigerung abzuwenden, habe er diese Ordnung aufgestellt und erlassen.

Hinsichtlich der „unartigen und mißgebräuchlichen Höckerei“ wurde bestimmt, daß solche niemand treiben soll, wenn er nicht ansässiger Bürger sei, sich beim Rathe angemeldet habe und ausdrücklich zum Höckereibetriebe zugelassen worden sei. Damit man die Höcker von den Bauern oder anderen fremden Leuten, die etwas zum Markte brächten, unterscheiden könne, wurde den einheimischen Höckern der Neumarkt zum Verkaufsplatz angewiesen, den Bauersleuten und Fremden dagegen der Altmarkt. Jeder Vorkauf vor den Thoren der Stadt wurde mit Konfiskation der Waaren bestraft, vor allem aber, ebenfalls bei Konfiskation der Waaren und weiterer Strafe, davor gewarnt, innerhalb einer

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/289&oldid=- (Version vom 6.8.2024)
  1. Rathsakten C. XXVII. 1.