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nun Muße, seine Tagebuchnotizen auszuarbeiten zu einer wirklich musterhaften Reisebeschreibung. Er starb 1713, nachdem ihm seine Rahel ein Jahr vorher im Tode vorangegangen war. Sein jüngster Sohn, Dr. jur. Gottfried Heinrich Griebe, ließ die Bilder seiner Eltern durch den Hofkupferstecher Bodenehr in den Jahren 1726 und 1727 in Kupfer stechen und klebte Abzüge in das Reisewerk seines Vaters, auf die Innenseite des Vorderdeckels.

Wie bereits bemerkt, ist das Reisewerk wahrhaft musterhaft ausgearbeitet. Zwar ist es weiter nichts als ein Tagebuch, in dem unter jedem einzelnen Datum erzählt wird, was Griebe an dem betreffenden Tage unternommen und erlebt hat; ist von einem Tage nichts Merkwürdiges zu berichten, so heißt es einfach: „Nichts passiret“, und diese Notiz erstreckt sich mitunter auf den Zeitraum von mehreren Wochen. Das Buch ist aber außerordentlich sauber geschrieben und, was von ganz besonderem Werthe ist, mit einer ganzen Menge Abbildungen, insbesondere Kupferstichen, aber auch einigen Handzeichnungen geziert, die sich Griebe nach und nach zu verschaffen gewußt hat, denn wie schon die auf einzelnen Bildern befindlichen Jahreszahlen zeigen, hat er die wenigsten bei seiner Anwesenheit an den betreffenden Orten erworben, da sie zum größten Theil erst später hergestellt worden sind.

Das Buch führt den Titel: „Kurtze, jedoch eigentliche Beschreibung, der Reißen in das Königreich Franckreich, Italien und Königreich Dennemarck, gethan, und auffgezeichnet von mir, Jakob Wilhelm Grieben, Dresdens. Misnic. Anno 1661.“

Wie das Vorwort an den „günstigen lieben Leser“ beweist, war Griebe stolz auf sein sauber ausgeführtes Werk. Zwar giebt er zu, daß ähnliche Reisebeschreibungen schon vielfach durch den Druck veröffentlicht worden seien; auch sei er, was den Stylum anlange, zum Bücherschreiben niemals gehalten noch informiret worden; gleichwohl habe er mit seinem Buche manchem vornehmen Kavalier gedient. „Wird Dir nun“, fährt er fort, „diese meine wohlgemeinte Arbeith nicht anstehen, So solstu wißen, daß es auch vor Dich nicht geschrieben, und ein Zoilus von mir in schlechten Werth gehalten wird“.

Für uns hat das Werk im Wesentlichen einen kulturgeschichtlichen Werth, indem wir daraus erfahren, wie sich die damaligen Verhältnisse und Zustände in den Beschauern abspiegelten, mit welchen Augen Land und Leute zu jener Zeit betrachtet wurden. Es wird nicht überraschen, wenn ich versichere, daß für Naturschönheiten, wie sie doch dem Reisenden fast auf Schritt und Tritt aufstoßen mußten, namentlich in Südfrankreich, in der Schweiz und Italien, auch nicht ein Fünkchen Verständniß vorhanden ist. Sie existiren für ihn nicht. Zu einer Zeit, wo sich die französischen Gartenkünstler bemühten, die Natur zu korrigiren, gewissermaßen in eine Montur zu zwängen, und für ihre Bemühungen auf allseitiges Verständniß rechnen durften, hatte man keinen Sinn für die große ungebändigte Natur, die wir in unserer Zeit vor Allem zu bewundern geneigt sind. Langweilige, symmetrisch gebaute Schlösser, geschorene Hecken und Wasserkünste aller Art, das waren die Dinge, welche damals auf Bewunderung rechnen durften. Aber auch für die Kunst hat Griebe kein Verständniß. Er besucht ja selbstverständlich die Sammlungen in Florenz, Rom und anderen Orten, wo die unsterblichen Meisterwerke der antiken Kunst aufbewahrt werden; aber er fertigt sie mit so kurzen Worten ab, daß man wohl sieht, er hatte keinerlei Interesse für diese Gegenstände. Daß aber nicht nur Griebe in dieser Beziehung ein Barbar war, sondern daß er nur als Kind seiner Zeit fühlte und dachte, das zeigen auch die dem Werke beigegebenen Kupferstiche, unter denen sich zahlreiche Nachbildungen von Meisterwerken der griechischen Plastik finden. Die Laokoongruppe, der Apollo von Belvedere, der farnesische Stier und wie sie alle heißen, sie sind uns ja alle wohlbekannt, wir bewundern das Ebenmaß der Formen, das in diesen unvergleichlichen Bildwerken zu Tage tritt; auf den Abbildungen sehen sie aber so aus, als wenn ein Riese den Figuren mit aller Gewalt auf die Köpfe gedrückt und sie dadurch in die Breite gequetscht hätte, so daß sie kurz und dick erscheinen.

Was unserem Reisenden am meisten imponirte und wofür er das meiste Verständniß zeigt, das sind die Kuriositäten, ich möchte sagen die „Kinkerlitzchen“, für welche die damalige Zeit so viel Geschmack entwickelte, wie wir sie namentlich auch in unserem Grünen Gewölbe in großen Mengen haben, und selbstverständlich ist die Bewunderung um so größer, je kostbarer der Stoff ist, aus dem die Sachen gefertigt sind, und je länger die Zeit, welche der Künstler zu ihrer Anfertigung gebraucht hat. Diesen Dingen widmet Griebe die liebevollsten und ausführlichsten Beschreibungen. Außerdem ist er ein guter Kenner von Festungswerken.

Nach dieser Einleitung lade ich den Leser ein, sich zu rüsten, um unseren Landsmann auf seinen Reisen zu begleiten. Selbstverständlich ersparen wir es uns mit Rücksicht auf den beschränkten Raum unserer Zeitschrift von vornherein, uns aufzuhalten bei der Betrachtung von Schlössern, Gärten und Wasserkünsten; auch Kirchen können übergangen werden, die ja zum weitaus größten Theil noch heute in demselben Zustande sich befinden, wie damals; endlich werden wir uns auch bei der Erwähnung der von Griebe betrachteten Kostbarkeiten und kunstvollen Arbeiten eine große Reserve auferlegen können. Das Wesentlichste für uns ist, zu erfahren, wie zu jener Zeit ein Kavalier reiste und wie er sich dabei benahm.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/265&oldid=- (Version vom 29.7.2024)