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Thola und Ricchini, Schüler des Moretto, und dann der aus der Stadt der Medici kommende „welsche Graf“ Lynar fortgeführt hatten, das vollendete Nosseni, indem er der deutschen Kunst die Volksthümlichkeit nahm und sie der italienischen unterordnete. Seine Bildhauerschule hielt sich lange in Sachsen, eine Schule von sehr bedeutendem Können, sicherer Meisterschaft und einer oft überraschenden Formvollendung – aber ohne starkes eigenes Leben, ohne tiefgreifende eigene Beobachtung, außer im Bildniß. Als Architekt aber vermochte Nosseni nicht dauernden Einfluß zu gewinnen. Das deutsche Volk war noch zu umfangen von Kleinstaaterei und klopffechterischem Sektengeist, als daß es sich zu einer Monumentalkunst hätte erheben können. Nur vereinzelte Meister, wie Holl in Augsburg, wußten die italienischen Einflüsse zu nationalem Schaffen zu verarbeiten. Buchner zeigte sich unfähig zu solchem höheren Kunstschaffen.

Schwerer aber als der Mangel an künstlerischer Kraft lastete auf ihm unter der neuen Regierung der Vorwurf, daß bei der nun gewissenhafter betriebenen Abrechnung allerhand Schwierigkeiten entstanden seien. So hatte er z. B. den Ziegelofen in Dresden selbst verwaltet und von Kurfürst Christian die Erlaubniß erhalten, die Ueberschüsse aus dem Betriebe für die Staatsbauten für sich zu behalten. Nun aber forderte man eine bedeutende Summe von dem vielgeplagten Baumeister zurück, die er zu viel in Rechnung gestellt habe. Gleichzeitig wollte man ihm eine Gehaltszulage, die ihm Kurfürst Christian in seiner Freude über den Fortgang seiner Bauten mündlich zugesichert hatte, wieder entziehen. Die Schreibereien hin und her zogen sich in die Länge, so daß endlich Buchner nach 36 jähriger Dienstzeit 1595 bat, ihm den Abschied zu bewilligen oder doch ihm die Bausachen ganz und die Verwaltung des Zeughauses zum Theil abzunehmen. Wieder ertönen die Klagen über theuere Zeiten, über die Kosten der Erziehung seiner Kinder, deren ihm die Gattin elf geschenkt hatte, über seine unsichere Lage, die ihn befürchten lassen müsse, in seinem hohen Alter Elend zu leiden. Und nun wiederholen sich von Jahr zu Jahr die Abschiedsgesuche in immer dringenderer Form, Buchner sah sich nach Ersatz für seine Thätigkeit um, schlug seinen Sohn Paul als geeigneten Nachfolger vor, kurz, begann sein Scheiden von dieser Welt vorzubereiten.

Trost mag ihm bei den mannigfaltigen Widerwärtigkeiten sein wachsender Ruhm in Deutschland gewesen sein. Der Kaiser forderte ihn zu sich nach Prag, wo er mit Martin Hillger, dem ausgezeichneten Freiberger Erzgießer, den Guß von Geschützen leitete; die Stadt Breslau erbat sich seine Hinkunft wegen eines Rathes in ihrem Bauwesen, ebenso der Herzog Wilhelm von Braunschweig; der König von Dänemark rief ihn zu einem Festungsbau nach Holstein – rühmliche Anerbieten wurden ihm von den verschiedensten Seiten.

Aber Buchner blieb in Dresden, stets thätig, ob ihn gleich das Alter und traurige Ereignisse mehr und mehr niederbeugten. Seine Söhne unterstützten ihn. Georg war 1582 als Zeugwart mit 80 fl. Jahresgehalt angestellt, erhielt aber am 20. Juli 1583, damit er Erfahrungen sammele, die Erlaubniß, den Feldzug gegen Köln mitzumachen, wo es den zum Protestantismus übergetretenen Erzbischof Gebhard von Waldburg zu vertreiben galt. Man sieht, er betrieb den Krieg als ein Studium, ohne Rücksicht auf kirchliche Ansichten und politische Ueberzeugungen! Ein anderer Sohn starb vor dem Vater dahin. Es vermochte selbst die Freude über die Verheirathung zweier Töchter den Vater für den herben Verlust nicht zu entschädigen. Seine Stütze blieb Paul, der in seine Stellung nach und nach aufrückte. Wir hören wenig mehr von größeren Bauunternehmungen, doch fiel dem Altmeister wieder die fürstliche Gunst in vollem Maße zu, der vierte Regent, dem er diente, Kurfürst Christian II., der 1601 selbst die Regierung antrat, sorgte durch Begnadigungen reichlich für ihn bis an seinen Tod.

Im Jahre 1607 endete sein arbeitsreiches Leben. Von den 76 Jahren, die ihm geschenkt waren, hat er fast ein halbes Jahrhundert dem Dienste seines zweiten Vaterlandes, Sachsen, gewidmet. Seine Jugendzeit durchzuckten die Nachwehen der reformatorischen Bewegung, in den Tagen seines Alters sammelten sich die Wolken zum furchtbarsten Kriege, der Deutschland je erbeben machte. Wie eine Ahnung geht die Erwartung solcher Ereignisse durch sein Leben. In einer Zeit des Friedens diente er in erster Linie dem Kriege. Bis zur letzten Stunde galten dem Zeughause und dem Festungsbau seine besten Kräfte. Selbst im Kunstbau vergaß er nie die ernste Bedeutung starken Mauerwerkes, selbst inmitten der kurfürstlichen Hauptstadt gab er seinen Werken stets ein wehrhaftes Aussehen.

Er gehörte nicht mehr zu den alten Baumeistern der Kirchen, die ihre Hütte zwischen den Strebepfeilern der Dome sicher und bequem anlegten, denen die Welthändel meist fern standen und die allein in ihrer Kunst Ausdruck ihres Strebens suchten. Buchner lebte inmitten eines großen Staatswesens als mitthatender und mitrathender Beamter. Was ihm an zünftiger Durchbildung für das Baugewerbe fehlte, das besaß er reichlich mehr an Kenntniß der Geschäfte, an Welterfahrung. Frei erhob er die Stellung des Baumeisters zu einer der geachtetsten im Staatswesen, zu bedeutendem Einfluß auf den Gang der Begebenheiten. Er war etwas von einem Kriegsminister und doch wieder ein schlichter Bürger, dessen Werth nicht Geburt

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/262&oldid=- (Version vom 20.8.2024)