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erst wieder entfernt, wenn der Delinquent den Bau verließ. Die erste Klasse wurde nach einer Verordnung von 1731 beschwert mit 17–22 Pfund, die zweite mit 10–16 Pfund, die dritte mit 5–8 Pfund. 1740 trat eine Verschärfung bei der ersten Klasse auf 20 bis 24 Pfund, bei der dritten bis auf 10 Pfund ein. Wie in der Bekleidung und anderen Dingen, herrschte auch hierin Mangel und Unordnung. Am 11. November 1720 meldet der Auditeur Kotsch, daß er aus Mangel an Eisen von den drei eingelieferten Musketieren – es wurden nämlich alle Deserteure auf den Bau eingeliefert – nur einen, der auf 4 Jahre verurtheilt wäre, habe einschmieden lassen können, die beiden anderen seien jeder nur mit einer Bein- und Handschelle belegt worden, denn er habe bei einem Bestande von 116 Mann nur 114 solche Eisen; da aber fast täglich noch mehr eingeliefert würden, bäte er um mehr Eisen. Auf diese Klage des Auditeurs hin wird verordnet, daß diejenigen Behörden, welche Delinquenten auf den Bau einlieferten, auch für Beschaffung der nöthigen Eisen zu sorgen hätten!

Die schweren Eisen verursachten den Verbrechern natürlich die größten Schmerzen, und öfters gingen deshalb Gnadengesuche ein. In einem solchen Gesuch heißt es: „Wir fallen vor Ew. Exzellenz Füßen fußfällig nieder in der tiefsten Erniedrigung und bitten um der theuersten Wunden Jesu willen um Befreiung, da die Eisen die Schultern verwunden und wir die grausamsten Schmerzen ausstehen müssen“. Die Betreffenden hatten gestohlen und trugen bereits 7 Jahre lang Eisen. Wann das Brandmarken eingeführt worden, ist nicht zu ersehen; eine Nachricht vom 29. Januar 1739 besagt, daß der Nachrichter Polster 4 Thlr. 12 Gr. für jedes Brandmarken zu erhalten habe, und zwar 2 Thlr. 12 Gr. für das Brandmarken selbst und 2 Thlr. für Herrichten des Eisens.

Die Arbeit der Gefangenen war den 3 Klassen entsprechend eine schwerere oder leichtere. Die erste Klasse wurde mit Karrenfahren, Steinschleppen, Mistladen, später auch mit Kloakenreinigen beschäftigt. Ihre Arbeit dauerte im Sommer von früh 4 bis Abends 6 Uhr, im Winter von früh 6 bis Abends 5 Uhr. Die zweite Klasse hatte gelindere Arbeit und wurde im Sommer von 1/25 bis 1/26 Uhr, im Winter von 1/27 bis 1/25 Uhr beschäftigt, während die dritte Klasse wieder früh und Abends 1/2 Stunde weniger Arbeit hatte.

Auch auswärts wurden die Baugefangenen verwendet; so war der Festungsbauknecht Palisch im Jahre 1717 mit 40 Gefangenen zur Arbeit in Grimma kommandirt. – Am 25. März 1738 wurden 60 Baugefangene dem Kaiser für den Festungsbau in Belgrad zur Verfügung gestellt. Sie wurden auf 11 vierspännigen Wagen unter Aufsicht des Profosen und unter Bedeckung von 1 Leutnant und 60 Infanteristen über Freiberg, Chemnitz, Zwickau, Plauen nach Eger transportirt und dort dem kaiserlichen Oberst Dörfinger mit Lieferschein übergeben. Der Bericht des Profosen beschreibt sehr eingehend diesen 5 Tage dauernden Transport, wie fast an jedem Tage wenigstens ein Wagen umgeworfen worden und wie er schließlich mit Mühe die Gefangenen an den Obersten übergeben hätte. Dieser hätte Anfangs mehrere nicht nehmen wollen, weil sie behauptet hätten, sie wären krank und könnten nicht arbeiten, und er verlange nach dem Vertrage nur gesunde und kräftige Leute; er, der Profos, habe ihm aber gesagt, wenn der Herr Oberst jedem glauben wollte, daß er krank sei, dann würden sofort alle 60 Mann sich krank melden. Von den abgelieferten Leuten waren nach dem vorhandenen Verzeichniß nur einer 21 Jahre, die anderen alle 40 bis 58 Jahre alt.

Erst wenn der Delinquent pardonnirt oder entlassen wurde, konnte er wieder ausgeschmiedet werden und hatte dann 2 Thlr. 4 Gr. 3 Pf. für das Ausschmieden zu entrichten, und zwar 21 Gr. dem Profos, 12 Gr. den 4 Knechten zur Theilung, 8 Gr. dem Festungsbauschreiber, 5 Gr. 3 Pf. dem Auditeur und 6 Gr. dem Schmied für das Ausschmieden.

Ueber die Verwaltung des Zeughauses hat der Oberzeugmeister Johann Gottfried Schmidt[1] unter der Aufschrift „Was etwa mit Einem oder dem Anderen passirt etc.“ Aufzeichnungen hinterlassen, welche den Charakter der Ursprünglichkeit tragen, da sie jedenfalls stets an dem Tage bewirkt worden sind, an dem sich die Thatsachen ereignet haben. Sie geben uns daher ein treues Bild nicht nur von den damals im Zeughause herrschenden eigenthümlichen Zuständen, sondern auch vom Charakter und den Anschauungen des Generals, der sein ganzes Leben in dem engen Raume des Dresdner Hauptzeughauses zugebracht hat.

Zuvörderst sehen wir, woe er und das Zeughaus durch Lieferungen von Pulver gemißbraucht wurden.

„22. August 1708. Dato schickte Ihre Durchlaucht der Herr Statthalter dero Laquaien zu mir, mit vermelden, sie würden morgen auf die Jagd reisen, möchten gern von de Königs Pirschpulver etwas haben, ob sie nicht aus dem Zeughause ein 12 Pfund bekommen könnten. Ich lasse mich darauf entschuldigen, ich dürfte


  1. Er war in Dresden 1660 als der Sohn des am 26. Mai 1687 verstorbenen kursächsischen Zeugleutnants und Inspektors der Pulvermühle Gottfried Schmidt geboren. Im Jahre 1687 wurde er Oberzeugwärter beim Hauptzeughause und zeichnete sich durch seine wissenschaftlichen Kenntnisse und seine artilleristischen Erfindungen in so hervorragender Weise aus, daß er sehr schnell avancirte und bereits 1703 zum Obersten der Artillerie und Oberzeugmeister ernannt wurde; in dieser Stelle avancirte er am 12. März 1716 sogar zum General und bekleidete diesen Posten bis zu seinem am 23. Juli 1736 im 77. Lebensjahre zu Dresden erfolgten Tode.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/248&oldid=- (Version vom 21.7.2024)