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und, wie es oft geschah, Getreide deshalb ausdreschen helfe, damit er es leichter vom Bauer kaufen könne, wurden im Jahre 1771 Scheine ausgegeben, und jeglicher Kauf und Verkauf ohne einen solchen auf das strengste verboten. Diese Scheine mußten mit genauen Angaben versehen und dann an die Kreis- und Amtshauptleute eingesandt werden [1]. Jedoch der Mangel nahm von Woche zu Woche, ja täglich zu. Obwohl man den Dorfbäckern erlaubt hatte, täglich gebackenes Brod und Mehl, völlig frei von jeder Abgabe, zur Stadt zu bringen, so fand sich nur wenig auf dem Markte. Der Marktmeister berichtet am 25. August 1771, daß nichts in die Brodbänke geliefert worden sei[2]. Die Mehlhändler baten, das Viertel Mehl mit 2 Thalern verkaufen zu dürfen, da der Roggenpreis auf dem Lande bereits auf 7 Thaler gestiegen sei und es ihnen dadurch unmöglich wäre, zu der bisher festgesetzten Taxe zu verkaufen[3]. Nach kurfürstlichem Befehle wurden überall in der Stadt, den Vororten, Mühlen, Weinbergen und wo nur Getreide oder Mehl zu vermuthen war, Visitationen angestellt und alles Getreide, das gefunden wurde und nicht zur Konsumtion des Eigenthümers nöthig war, den Bäckern um einen billigen Taxpreis übergeben. Die Bürgerschaft wurde aufgefordert, Exzesse und Gewaltthätigkeiten zu unterlassen, das „ungebührliche“ Zudringen zu den Bäckerläden ward strengstens verboten. Die Bäcker reisten in die benachbarten Städte, wie Meißen, Großenhain, Torgau, Oschatz u. a., doch konnten sie nur ganz geringe Quantitäten, den Scheffel zu 7 Thalern, auftreiben[4]. Der Senator und Kaufmann Richter brachte zwar 8000 Scheffel Getreide aus Hamburg, doch linderte dieses Quantum nur für einige Tage die allgemeine Noth[5]. Die anhaltend nasse Witterung hatte an vielen Orten Ueberschwemmungen verursacht, wodurch die Bestellung der Felder unmöglich wurde und die Aussicht auf das kommende Jahr sich noch trostloser gestaltete. Durch die hohen Getreidepreise ließen sich viele verleiten, das unentbehrlich nöthige Samengetreide zu verkaufen. Der Kurfürst forderte in einem Mandat vom 25. September 1771 alle Vasallen, Beamte, Räthe in den Städten und andere Gerichtsobrigkeiten auf, den Unterthanen von diesem so nachtheiligen Beginnen abzurathen und sie zur tüchtigen Bearbeitung und Bestellung ihrer Felder zu ermahnen, sowie diejenigen, die solches unterließen, durch Zwangsmittel dazu anzuhalten. Denen, die ihre Aecker wegen der Nässe nicht bestellen oder das Saatkorn und was sie zu ihrer Nahrung brauchten, nicht erkaufen konnten, wurden die Mittel dazu auf alle mögliche Art verschafft und ihnen auch sonst jegliche Hilfe zu Theil. Alle, welche den Bedürftigen mit Saat- oder Brodkorn, sei es in Natur oder mit Geld zum Kaufe desselben, beisprangen, wurden bei Gericht in den Handelsbüchern eingetragen, damit sie am Vermögen des Schuldners ein Unterpfand hätten. Das spätere Eintreiben der Schuld sollte unentgeltlich von Gerichtswegen besorgt und „ohne prozessualische Weitläuftigkeiten durchgehends schleunige Justiz“ geübt werden[6]. Das Ausfuhrverbot auf alle Getreidearten wurde auch auf die Ausfuhr von Brod, Mehl, Graupen, Grütze, Erdäpfeln und Erdbirnen ausgedehnt. Wer dem Ausfuhrverbot zuwiderhandelte, wurde nicht mehr allein mit Konfiskation der Waare, wobei auch Pferde, Wagen, Schiff oder Geschirr einbegriffen waren, bedroht, sondern auch je nach Befund mit Gefängniß, Ausstellung an den Pranger oder Zuchthaus und Festungsbaustrafe, ohne Ansehung der Person[7]. Da die Landmagazine gänzlich erschöpft waren, konnten die Städte dem Militär den bisherigen Zuschuß an Brod, Mehl und Korn nicht liefern, weshalb eine Abgabe von 1/2 Scheffel oder 8 Metzen Korn auf jede steuerbare Hufe gelegt wurde, die in Geld abgeführt werden konnte[8]. In der Absicht, die Zufuhr zu erhöhen, wurde eine außerordentliche Befreiung von Abgaben festgesetzt und das diesbezügliche Mandat am 5. Oktober 1771 unter ungeheurem Andrang der Bürgerschaft veröffentlicht. Das Mandat bestimmte: 1. Alle, welche von auswärts Getreide, Mehl und Brod zum Verkauf an die Grenze oder in das Land bringen, brauchen sich nicht, wie früher, an den Grenzen zu melden und sind von allen Grenzabgaben befreit. 2. Wer Getreide, Mehl und Brod in die Städte zum Verkauf bringt, ist von jeder Abgabe, wie Zöllen, Geleiten, Wege-, Brücken-, Fahr- und Pflastergeldern sowie den städtischen Abgaben, der Land-, General-Handlungs- und General-Eingangsaccise befreit. 3. Das

von auswärts eingebrachte Getreide soll, sobald es an


  1. Die Scheine waren wie nachstehend vorgedruckt:
    Vorzeiger dieses N. N. so allhier wohnet, gehet mit
    zu N. N.
    ___ Wagen und ___ Pferden von hier ab, um
    ___ Schubkarren
    für sich zur eigenen Konsumtion
    für N. N. zur eigenen Konsumtion
    für hiesige Kommun zu deren Konsumtion

    Getreide einzukaufen, und werden diejenigen, so dergleichen an ihn überlassen, ersuchet, hierunter, was und zu welchem Preiße an ihn verkaufet worden, anzumerken, inmaßen derselbe bey seiner Zurückkunft diese Bescheinigung zurückzugeben und dadurch den davon gemachten Gebrauch beyzubringen hat.

    Sig. N. N. den   1771.      
    N. N.  

    (C. XXXII. 32. Bl. 73.)

  2. C. XXXII. 32.
  3. C. XXXII. 32. Bl. 111.
  4. C. XXXII. 32.
  5. C. XXXII. 90 I.
  6. C. XXXII. 32. Bl. 123.
  7. C. XXXII. 32. Bl. 120.
  8. C. XXXII. 33.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/231&oldid=- (Version vom 24.8.2024)