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Die unten abgedruckten beiden Briefe hat Prinz Friedrich August an Oehme geschrieben, als dieser sich in Italien aufhielt, den ersten, undatirten, wahrscheinlich im Jahre 1823, den zweiten am 9. März 1825. Sie zeigen, welch liebevolle Antheilnahme der damals selbst noch jugendliche Prinz (geb. 1797) der künstlerischen Entwicklung seines Schützlings widmete und mit welchem Verständniß er den Grundfragen des künstlerischen Schaffens gegenüberstand. Manche seiner Darlegungen berühren sich merkwürdig mit dem, was auch neuerdings wieder bei den Auseinandersetzungen zwischen Jungen und Alten umstritten worden ist[1].




Lieber Oehme!     Mit Vergnügen habe ich aus Ihrem Briefe ersehen, daß Sie sich in Rom eingerichtet haben, und daß Sie Stoff zu Ausbildung in Ihrer Kunst finden. Fahren Sie in Ihrem löblichen Fleißes (!) fort, und lassen Sie uns bald einmal eine Frucht des selben im Vaterlande sehen. Sie werden unter dem schönen italiänischen Himmel Ihre Phantasie mit manchen schönen, Ihnen neuen Bildern haben bereichern können; vergessen Sie nur über die südliche Wärme, den nordischen Ernst nicht, der ihre (!) ersten Versuche beseelte. Es giebt in der Kunst, wie in allen Verhältnissen so manche Klippen zu vermeiden, und heut zu Tage liebt man mehr als je die Extreme, und doch bleibt das alte Sprichwort von der Mittelstraße wahr. Ich kenne die jetzt in Italien lebenden Künstler im Landschaftsfache zu wenig, aber einiges was ich gesehen, scheint mir, theils durch grelle Lichteffekte blendend, von der Wahrheit abzuweichen, theils einem zu großen Détail den Gesammteffekt zu opfern. Ich bin sehr begierig, etwas von Ihnen zu sehen, und werde Ihnen dann, ganz aufrichtig nach meinem Gefühle, meine Meinung darüber zu (!) schreiben. Dem Künstler, wie dem Dichter muß die Natur das Vorbild seyn, er muß das Schöne in ihr aufsuchen; er darf sie veredeln, idealisiren, aber nie darf er von der Wahrheit abweichen. Leben Sie wohl, lieber Oehme, und verzeihen Sie meine Bemerkungen, welche Lehren ähnlich sehen. Ich nehme so warmes Interesse an Ihrem Fortschreiten, daß ich Sie gern von allen den Klippen entfernt halten möchte, die Ihre freye Laufbahn zu dem höchsten Ziel der Kunst hemmen könnten. Auch ein Laye kam bisweilen nützlich sein, und wenn einer aufrichtig zu Ihnen sprechen darf, so glaube ich, ich habe ein Recht dazu.

Friedrich August, Herzog zu Sachsen.




Lieber Oehme!     Ich sitze jetzt eben vor Ihrem Bilde[2], um Ihnen mein Urtheil darüber auszusprechen, welches mir in mancher Hinsicht ziemlich schwer wird, da ich einen Maasstab anlegen soll, den ich nicht kenne[3]; denn wie mag die südliche Gluth nach den Erscheinungen unsers düstern Nordens beurtheilt werden? Ich läugne nicht, daß Ihr Bild mir im ersten Augenblicke etwas so fremdartiges darstellte, und dieß namentlich auf der Ausstellung, in der Umgebung vaterländischer Landschaften, daß ich in diesem Augenblicke vielleicht ungerecht über Ihr Werk geurtheilt haben würde, und dieß war wohl eine der Ursachen, warum ich meine Kritik aufschob. Denn schon mehrere Kunstfreunde, welche jene südlichen Regionen besucht hatten, fanden die Beleuchtung, welche mir etwas grell schien, so treu, daß ich mich etwas beruhigt fühlte; denn schon fürchtete ich, Sie hätten sich von einer jetzt nur zu beliebten Manier verführen lassen, und das Studium der Natur, welches allein den Landschaftkünstler leiten darf, bei Seite gesetzt. Jetzt habe ich aber nun Ihr Bild vor mir, isolirt von den kontrastirenden Umgebungen, und finde zwar eine Natur, eine Beleuchtung die ich nicht kenne, aber im Ganzen Harmonie, und nicht das Grelle, was ich durch die fremdartigen Farbentöne getäuscht, erst zu finden wähnte. Namentlich ist dieß von dem Hintergrunde, der Aussicht nach dem Meere und den Inseln der Fall, welche mir mit jedem Augenblicke harmonischer erscheint. Ganz vorzüglich, und wirklich meisterhaft aber finde ich die große Baumgruppe in der Mitte des Bildes, und vor allen die Krone des vordern Baumes und die Stämme. Freilich sind dieß Erscheinungen über die ich besser zu urtheilen vermag, als über die südliche Beleuchtung der Ferne. Sie haben in diesen Bäumen die Natur treu nachgeahmt; kein Baumschlag aus der Schule, und keine Sucht durch einen gewissen Effekt zu glänzen, keine ängstliche Nachpinselung der Einzelnheiten ist hier sichtbar; es ist die Natur wie Sie (!) sich darstellt. Es freut mich, daß Sie von den beiden Extremen, welche einen großen Theil unserer neuern Künstler, die Alles in einer ängstlichen Nachahmung der Einzelnheiten suchen, und der ältern Schule, welche alle Bäume über einen gewissen konventionellen Leisten schlägt, gleich fern geblieben sind. Ich hoffe, daß Sie nach diesen Aeußerungen überzeugt sind, daß ich Ihr Bild für ein sehr gelungenes Werk halte; nun erlauben Sie mir aber auch, daß ich die wenigen Zweifel, die mir hin und wieder doch geblieben sind, Ihnen offen darlege. Die obern Umrisse der Bäume auf der rechten Hälfte des Bildes, wo


  1. Die eigenhändig geschriebenen Briefe des Prinzen sind von Oehmes Tochter, Frau Oberlehrer Hahn, im Stadtmuseum niedergelegt worden.
  2. Wohl die „Aussicht von Camaldoli nach Bajä, Procida und Ischia“ auf der akademischen Ausstellung von 1824.
  3. Der Prinz besuchte Italien erst im Jahre 1828.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/215&oldid=- (Version vom 20.7.2024)