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9) Ostermontag... Pletsch bringt mir die zweite von ihm gezeichnete Platte zur Bibel, „Jakobs Flucht“. Sie ist ganz gut gearbeitet, doch sehe ich, daß ich nur in wenig Fällen fremder Hülfe mich werde bedienen können. Es fehlt hie und da, zumal an den Köpfen. Sie sehen mich großentheils fremd an.

10) Dienstag. Freund Oehme ist in vergangener Nacht gestorben. Sein Zustand war seit langer Zeit bedenklich; daß sein Ende aber so bald erfolgen würde, hätte man nicht gedacht. Ich freue mich, daß ich noch vor kurzer Zeit ihn ein paarmal besucht habe. Das zweite Mal zeigte ich ihm meine Psalmenbilder und las ihm die Erklärung derselben vor. Er war für solche Gegenstände stets sehr empfänglich. In der letzten Zeit brachte er in seinen Bildern gern biblische Figuren an.

12) Donnerstag... Freund Rietschel macht mir Mittheilungen über Hähnel, die trauriger Art sind. Graf Einsiedel hatte Rietschel die Ausführung des Kruzifix für die Brücke an die Stelle des alten, damals in dem Flusse untergegangenen übertragen. Einsiedel hat aber veranlaßt, daß ein Komité zusammentrete, welches allerdings auch die Aufgabe hatte, Beiträge zu sammeln, hauptsächlich aber die Angelegenheit geschäftlich überwachen und leiten sollte. Hähnel steht nun mit einigen der Komitémitglieder längst in freundschaftlichem Vernehmen. Plötzlich tritt Hähnel als derjenige auf, welchem die Ausführung des Kruzifix von diesem Komité übertragen worden sei. Einsiedel ist sehr aufgebracht, zieht sich von der Sache ganz zurück, und möglicher Weise wird nun gar nichts aus der Sache, da Einsiedel den Guß in Lauchhammer unter allen Umständen auf sich genommen und überhaupt das an Mitteln fehlende decken zu wollen sich erklärt hatte.

13) Freitag... Nachmittag begraben wir unsern Freund Oehme. Wir haben heute den ersten wahren Frühlingstag. Oehme hatte immer gewünscht, zur Osterzeit heimzugehen. Die Freude ist ihm geworden. Ein großer Zug folgt der Leiche. Es zeigt sich eine große Theilnahme. Die Lerchen empfangen uns auf den Feldern mit ihrem Auferstehungslied. Dann ertönt vom Kirchhof her Männergesang. Pastor Böttger hält eine Rede am Grabe. Er sagt viel Gutes und sagt es gut, aber er spricht zu lange und zeichnet statt eines schlicht ähnlichen Bildnisses des Verewigten ein flau idealisirtes Porträt, in welchem man den Freund nicht erkennt. - Konferenz des akademischen Rathes. Hofrath Winkler nimmt seine Stelle als Sekretär wieder ein. Der leere Präsidentenstuhl mahnt uns aber in trauriger Weise an den nahe bevorstehenden herben Verlust und nöthiget uns, daran zu denken, daß wir eines neuen Vorsitzenden demnächst bedürfen werden.

18) Mittwoch. Um 8 Uhr Morgens setzt sich der Leichenzug unseres verewigten Freundes Schulz in Bewegung. Neben dem Leichenwagen, der mit sechs Pferden bespannt ist, gehen 24 Akademiker mit Palmenzweigen. Ihnen schließen sich andere an, welche Lorbeerkränze an weißen Stäben tragen. Unmittelbar hinter dem Sarge werden die Orden des Verewigten, ein frischer Lorbeerkranz und ein verwelkter Lorbeer, mit welchem einst Thorwaldsen die Stirne desselben auf dem Kapitole schmückte, ebenfalls von jungen Künstlern auf Kissen getragen. Ein ansehnlicher Chor mit Blasinstrumenten geht dem Zug voraus und spielt Trauermärsche, abwechselnd den von Chopin komponirten und den von Henselt. Der Zug bewegt sich in einer langen dreifachen Reihe von Leidtragenden nach dem weiten Kirchhofe, wo die Schulz’sche Familiengruft sich befindet. Bei dem Eintritt in den Kirchhof spielt der Chor einen Choral. An dem Grabe angelangt, singt ein Männerchor einen Choral. Der Archidiakonus Rüling, welcher dem Verstorbenen das heilige Abendmahl reichte, hält die Leichenrede. Er spricht vortrefflich, kurz und christlich, ganz wie es sich gebührt. Er rühmt den Verstorbenen vor Allem darum, weil er seinen Lorbeerkranz willig und demüthig niederlegte vor der Dornenkrone seines Erlösers und Heilandes. Ich habe nie ein würdigeres und wahrhaft christlicheres Begräbniß gesehen, als dieses war. Zugegen waren die Minister von Beust, von Zeschau, von Wietersheim. Von Seiten des Hofes waren einige Würdenträger beigeordnet.

19) Donnerstag... Die Berliner Akademie meldet mir, daß sie mich am 31. März zum ordentlichen Mitgliede erwählt habe.

22) Sonntag... Rietschel besucht mich und erzählt mir den weiteren Verlauf seines Handels mit Hähnel. Rietschel hatte ihm noch in einem Briefe, den er mir mittheilt, in versöhnlichster Weise zugesprochen, abgesehen von der Entscheidung, welche von Seiten des Grafen Einsiedel und des Komité zu erwarten steht, sich zu vertragen. Hähnel antwortet hierauf nur in herbem und ablehnendem Tone... Gaber bringt mir einen Probedruck der herrlich gearbeiteten Platte „Die Kinder Gottes vermischen sich mit den Kindern der Welt“.

23) Montag. Rietschel hatte mir gestern auch gesagt, daß es ihm nun recht sei, wenn ich käme, seine Gruppe (Goethe und Schiller) zu sehen. So verfüge ich mich denn heute in mein ehemaliges, nun Rietschels Atelier auf der Terrasse. Die beiden Gestalten machen einen mächtigen Eindruck und werden durch Rietschels Meisterhand zu einem vollendeten Kunstwerk herausgebildet werden. Fürs Erste ist mir Schiller noch lieber als Goethe. In einer sich paralysirenden Doppelbewegung des Ober- und Unterkörpers in der Gestalt des letzteren liegt eine Schwierigkeit, deren Ueberwindung Rietschel schon viel Mühe gemacht hat und die vielleicht für alle Ansichten nicht ganz glücklich zu lösen

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/21&oldid=- (Version vom 6.6.2024)