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Privatangelegenheiten betrafen, ebenso vom Minister Dr. Zschinsky.

Der Prinz Johann, mit welchem ich an jenem Tage zum ersten Male zu sprechen kam, war überaus gnädig gegen mich und hat mich unter wiederholtem Händedrucke versichert, daß es sehr wohl thue, in solchen Zeiten treue Herzen zu finden. Ich würde mir diese Mittheilung, die wie eine Ruhmredigkeit klingt, hier nicht gestatten, wenn ich mir nicht selbst das Zeugniß geben könnte, daß mein Herz die Bezeichnung eines treuen Herzens auch wirklich verdient hat. Der König hätte jedes Opfer von mir verlangen können, ich entzog mich ihm gewiß nicht und hätte es auch mein Leben kosten sollen, – ein Leben, das ja ohnehin seit jener Zeit immer mehr und mehr alles Aufschwungs der Seele und fast jeder Freudigkeit beraubt worden ist.

Der General Engel ließ mich wieder nach Pirna zu fahren, vor der Stadt aber bei dem Hausberge stieg ich aus und log mich nun durch die Stadt selbst, welche ich überall mit demokratischen Gruppen angefüllt fand, auf die Weise hindurch, daß ich vorgab, von einer Reise in die sächsische Schweiz zurückzukehren. Zu solchen Zwecken hatte ich vorsorglicherweise das Reisetäschchen, dessen ich mich sonst bei meinen Fußwanderungen bediente, umgehangen, und dieses leistete mir nun sehr gute Dienste, indem Jedermann mir glaubte und meine Anfragen über den Stand der Dinge in Dresden, den ich natürlich nicht zu kennen vorgab, beantwortete. So kam ich glücklich über die Elbe und in der 9. Stunde nach Pillnitz. Von dort fuhr ich wieder zu Wagen weiter, allein, da Zacharias besorgte, daß in den Dörfern am rechten Elbufer, welche an sich schon höchst demokratisch gesinnt waren und wo die Aufregung von Stunde zu Stunde wuchs, die Pferde, als dem Hofe gehörig, ausgespannt werden möchten, einen andern Weg, nämlich durch den Helfenberger Grund und über die Berge nach Dresden. Leider verfuhr sich in der Dunkelheit der Nacht – denn der Himmel war sehr bewölkt und daher vom Monde nichts zu sehen – der Kutscher so weit, daß ich erst in der 12. Stunde auf dem Bade ankam. Ich begab mich sofort in das Gouvernementsgebäude zu Neustadt, um dem Staatsminister von Beust meine Depesche zu überreichen, konnte jedoch nicht vorkommen, weil derselbe nach Versicherung seines Dieners aus übermäßiger Anstrengung sich auf kurze Zeit zur Ruhe begeben habe. Ich kam daher um 4 Uhr Morgens wieder und fand hier den Minister in einem Zustande geistiger und körperlicher Apathie, der mich mit der innigsten Theilnahme erfüllte, ja der mir aus besondern Gründen sogar Besorgnisse über die körperliche sowohl als über die moralische Ausdauer dieses an sich einer kräftigen physischen Konstitution entbehrenden Mannes einflößte. Zum Theil wenigstens konnte ich ihm das Herz erleichtern. Es fehlte nämlich überall an Geld, es fehlte in Pillnitz, auf dem Königstein und in Dresden an Geld. Zacharias hatte mich bei meiner Durchreise dringend gebeten, den Oberstallmeister General Engel um eine Zusendung von Geld nach Pillnitz anzugehen, wohin Zacharias mit dem ganzen Königl. Marstalle ohne einen Groschen Geld und ohne Naturalvorräthe geflüchtet war. Engel konnte ihm keines verschaffen, weil man auf dem Königstein selbst ohne Mittel sich befand. Ein Gleiches war bei den in Dresden anwesenden Ministerien der Fall. Die Revolution war Allen zu schnell über den Hals gekommen, als daß man sich für dergleichen Eventualitäten hätte vorsehen können. Als mir daher der Staatsminister von Beust diese dringende Noth klagte und dabei an der Möglichkeit verzweifelte, den interimistischen Vorstand des Hausministerii, Geheimen Hofrath Zenker, nach Neustadt zu befördern, versprach ich ihm, nur um ihn wenigstens insoweit zu beruhigen, daß, wenn nicht Alles mißglücke, der Genannte in 1 Stunde zur Stelle sein solle. Gesagt, gethan. Ich kannte die hohe Gewissenhaftigkeit und unerschütterliche Berufstreue des Geheimen Hofrath Zenker genau genug, um zu wissen, daß er, dafern irgend eine Möglichkeit vorliege, dem Rufe gewiß folgen werde. Ich selbst durfte mich, bekannt wie ich in Dresden meiner Person nach bin und auch in Bezug auf meine politische Richtung damals vorzugsweise war, nicht nach Altstadt wagen, ohne das Entgegengesetzte meines Zweckes zu riskiren, nämlich den Geheimen Hofrath Zenker nicht an Ort und Stelle zu schaffen.

Ich wählte also das einfachste Auskunftsmittel, indem ich einen Chaisenträger, nachdem derselbe seine Dienstkleidung abgelegt und eine Aermelweste angezogen hatte, am Elbberge über die Elbe und, für alle möglichen Hindernisse genau instruirt, nach der Wohnung des Ersehnten auf der Waisenhausstraße in der Nähe des Seethores entsendete. Eine Stunde darauf rapportirte mir der Chaisenträger, daß er mit seiner Begleitung glücklich im Neustädter Gouvernementsgebäude angelangt sei, worauf denn auch die Erhebung der benöthigten Gelder aus dem von der Brücke aus zugänglichen Kassenbehältnisse erfolgte.

Im weiteren Fortgange jenes Morgens erledigte ich die mir von dem Prinzen Johann und dem Staatsminister Dr. Zschinsky ertheilten Privataufträge und händigte auch dem damaligen Geheimenrathe, gegenwärtigen Staatsminister Behr das gesuchte Schriftstück, welches sich im Gewahrsam des Staatsministers Dr. Zschinsky in seiner Wohnung in Dresden an einer von letzterem selbst mir bezeichneten Stelle befand, mit dessen Genehmigung aus.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/195&oldid=- (Version vom 14.8.2024)