Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/187

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

des Märzministerii in Sachsen herbeiführte, weil die Demokratie hiernach in diesem Ministerio nicht die Theilnehmer und Begünstiger, sondern, wenigstens in der Mehrzahl der Minister, die Gegner ihrer revolutionären und republikanischen Pläne erblickte!

Noch am Abend der nämlichen Wahlversammlung, als dieselbe bereits eben zu Ende war, brachte der Hofrath, jetzige Regierungsrath Schulz einen Abdruck jenes „Offenen Wortes“ nach dem Reußischen Garten. Er hatte in der Hoffnung, die Versammlung noch beisammen zu finden, sich zu möglichster Eile einer Droschke bedient; allein er traf doch schon zu spät ein, um das wichtige Aktenstück noch der versammelten Demokratie vortragen zu können.

So war also abermals ein an sich unbedeutender Gegenstand – wohin ich die Aufforderung des Ministers von der Pfordten zum Erscheinen in einer Volksversammlung rechnen muß – die Ursache zu einem für das Schicksal Sachsens so höchst einflußreichen Ausgange geworden, an welchen ich bei der Idee, daß auch ein Staatsminister, als Wahlkandidat nach seinem eigenen Willen, wie hier, gleich allen übrigen Kandidaten die Verbindlichkeit über sich habe, seinen Wählern die Gelegenheit zu persönlicher Bekanntschaft zu bieten, auch nicht im Entferntesten hatte denken können.

Wie sehr die konservative Partei durch einen unverantwortlichen Indifferentismus und durch Mangel an aller Konsequenz der Demokratie in die Hände arbeitete, sprach sich, um nur einen Fall zu erwähnen, recht unverkennbar bei den Wahlen der Geschworenen in Antonstadt aus. Ich wurde, da man einmal meine Thätigkeit in allen politischen Angelegenheiten kannte, aufgefordert, mich der Vorbereitungen zu diesen Wahlen daselbst anzunehmen. Demgemäß ging ich mehrere loyale Bürger in Antonstadt an, sich zu einem bestimmten Tage in der Bergmann’schen Restauration auf der Alaungasse einzufinden. Es versammelten sich aber zu meinem größten Erstaunen nicht nur überhaupt sehr viele daselbst, sondern auch darunter Männer aus den höheren Ständen. Nach langen Debatten vereinigte man sich auch zu diesem Behufe über eine Kandidatenliste. Ich ließ dieselbe drucken, legte sie an 6 verschiedenen Orten in Antonstadt aus und machte solches, sowie den anberaumten Wahltag auch noch außerdem 2 Mal im Dresdner Anzeiger bekannt. Nichtsdestoweniger brachte die Demokratie die Mehrzahl ihrer Kandidaten durch. Der Grund davon war, daß viele meiner Gesinnungsgenossen und unter diesen gerade Männer höherer Bildung, welche bei jener Vorversammlung mit zugegen gewesen waren, nicht mit gewählt hatten: der Eine, weil er seinen Stimmzettel abzugeben vergessen, der Andere, weil er meine Bekanntmachung im Dresdner Anzeiger ebensowenig als die Ankündigung des Wahlausschusses gelesen hatte! Und dennoch fand sich später, als ich mir das Resultat der Abstimmung aus den Wahlakten privatim vorlegen ließ, daß es z. B. gerade nur zweier konservativen Stimmen mehr bedurft hätte, um den Republikaner Heeren, welcher bei so bewandten Umständen als Wahlmann obgesiegt hatte, von der Wahl auszuschließen, ja daß, wenn überhaupt von der konservativen Partei noch 15 Stimmen, sage fünfzehn Stimmen mehr abgegeben worden wären, diese Partei von 20 Kandidaten achtzehn durchgebracht haben würde.

Aber freilich mit Gemeinplätzen als: „auf meine Stimme kommt nichts an“, oder „mir ist die ganze Sache zuwider“, oder „es muß erst recht schlecht werden, eh’ es besser wird“, hinter welchen die konservative Partei ihre Trägheit und Muthlosigkeit zu verbergen pflegte, siegt man über eine so enggeschlossene und wohldisziplinirte Phalanx, dergleichen die Demokratie darstellte, nicht und rettet man auch König und Vaterland nicht. Es wandelt mich wohl zu Zeiten ein recht schmerzliches Gefühl an, wenn ich Leute, die damals in so ernster, ja verderbenschwangerer Zeit ihren Amüsements nachgingen und unsere, Geist und Körper gleich niederdrückenden Anstrengungen vornehm belächelten, die Früchte der wiederhergestellten Ordnung, für welche wir vergeblich kämpften, jetzt in stolzer Ruhe genießen, ja sich sogar der Freude über die ihnen seitdem zu Theil gewordenen Auszeichnungen hingeben sehe.

Der Deutsche Verein mag in vielen Dingen fehlgegriffen haben, allein den circa 20 Männern des Ausschusses vom Dresdner Deutschen Vereine muß ich, und ich nehme hierbei Gott zum Zeugen an, nachrühmen, daß sie damals mit unsäglicher Hingebung und geistiger wie körperlicher Anstrengung, unter den entmuthigendsten Anzeichen, die gute Sache zu verfechten nie ermüdeten. Noch ein paar Hundert solcher Patrioten – denn diesen Namen verdienen sie – und die Demokratie wäre nie zu dem Gipfel der Macht gelangt, auf welchem sie Sachsen an den Rand des Abgrundes brachte! Statt dessen mußten wir für so viele Demüthigungen und Verhöhnungen unsern alleinigen Trost in dem Bewußtsein finden, wenigstens die Schmach von unserm Vaterlande abgewendet zu haben, daß nicht einmal von Jemandem der Versuch gewagt worden sei, Sachsen vor den unheilvollen Plänen der Demokratie zu schützen. Wohin dieselben geführt, hat das Jahr 1849 bewiesen.

Als Dresden während der Maitage vom Kanonendonner wiederhallte, fragte ich Mehrere, denen jenes Brocardicon: „es muß erst recht schlecht werden etc.“, am geläufigsten gewesen war, ob es ihnen denn nun schlecht genug sei? und erhielt gewöhnlich zur Antwort: „wer

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/187&oldid=- (Version vom 13.8.2024)