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die größte Anziehung auf ihn ausübten. So lange ihm aber eine amtliche Beschäftigung mit der Politik versagt war, wollte er wenigstens als Bürger das Seinige thun, um der von ihm als unheilvoll erkannten radikalen Richtung im Staatswesen entgegen zu arbeiten. Am 11. April 1848 half er in Dresden einen „Deutschen Verein“ begründen, der sich, als Gegner des demokratischen „Vaterlandsvereins“, zur konstitutionellen Monarchie bekannte und binnen wenigen Monaten gegen 2000 Mitglieder aus allen Kreisen der Bevölkerung, auch denen des Adels, der hohen Beamten und der aktiven Offiziere, gewann. Er nahm aber eine Wahl in den Vorstand des Vereins nicht an, sondern blieb auf eigene Faust thätig, weil er der – im Allgemeinen wohl nur selten zutreffenden – Meinung war, daß im politischen Leben auch der Einzelne durch Eifer und Hingebung Erfolge erzielen könne. Sein alleiniges Werk war es allerdings, wenn am 13. Mai 1848 bei der Wahl eines Abgeordneten zum Frankfurter Parlament im Kreise Dresden-Neustadt nicht der republikanisch gesinnte Advokat Blöde, sondern ein Mann gemäßigter Richtung, Justizamtmann Hensel aus Kamenz, gewählt wurde.

Fritzsche gab sich Mühe, die Regierung möglichst über die Volkstimmung und die Parteibewegung zu unterrichten. Die Rathschläge aber, die er damit verband und die nicht immer auf genügender Kenntniß der politischen Gesammtlage beruhten, sind zum Theil von ihm selbst später als verfehlt erkannt worden. Von seinem Standpunkte aus, der ihm keinen Ueberblick über das Ganze gestattete, war es selbst unter den außergewöhnlichen Zeitverhältnissen nicht unbedenklich, daß er, unter Umgehung der verantwortlichen Räthe der Krone, durch Vermittlung des ihm wohlwollenden Oberstallmeisters Generalmajor von Engel dem Könige selbst Rathschläge zu ertheilen suchte. Nach außen hin war er bestrebt, in Versammlungen und durch Zeitungsaufsätze einer vernünftigen, ruhig vorwärtsschreitenden Politik das Wort zu reden. Seine Ansprachen an die Bürger Dresdens, so u. a. im Dresdner Anzeiger vom 6. und 16. Mai, 20. Juni 1848, zeichneten sich durch ideale Gesinnung und patriotische Wärme aus, entbehrten aber freilich der agitatorischen Kraft. Ein Gegenstand des Kummers war ihm die Lässigkeit der eigenen Parteigenossen, die dem der Revolution zutreibenden Radikalismus fast ohne Widerstand das Feld überließen und dadurch mit verschuldeten, daß dieser, wenn auch nur vorübergehend, zur Herrschaft gelangte.

Je näher die Entscheidung rückte, um so lebhafter beschäftigte ihn die Sorge um das Königshaus, dem er eine unerschütterliche Hingebung entgegenbrachte. Mit Spannung verfolgte er die Laufbahn des im Felde stehenden Prinzen Albert. Als sich nach dem Gefecht bei Eckernförde in Dresden das Gerücht verbreitet hatte, der Prinz habe an diesem Kampfe theilgenommen, richtete er brieflich die Bitte an ihn, sich nicht mit allzu großer Kühnheit der Gefahr auszusetzen. Wenn auch eine solche Aufforderung bei dem thatenfrohen jungen Offizier ohne Erfolg bleiben mußte, so verdankt man ihr wenigstens das bekannte schöne Antwortschreiben, worin der Prinz mit einer für sein Alter überraschenden politischen Einsicht das Zusammenwirken der deutschen Stämme im Kampfe als den wahren Weg zur Einigkeit hinstellt[1]. In den verhängnißvollen


  1. Das Original des Schreibens wird von Fritzsches Töchtern noch als theures Andenken bewahrt. Der Empfänger hatte es seiner Zeit einem Bekannten zu lesen gegeben und bei diesem war unbefugterweise eine Abschrift davon genommen worden, nach der man einen Einblattdruck herstellte und verbreitete. Nach diesem Drucke, der von Lesefehlern und Auslassungen strotzt, ist der Brief in den neueren Veröffentlichungen zur Lebensgeschichte des Königs Albert wiedergegeben und hat in solchem fehlerhaften Wortlaute kürzlich auch die Runde durch die deutsche Presse gemacht. Sogar die Datierung ist falsch, sie lautet nicht: „Soyordt bei Flensburg, den 19. April 1849“, sondern: „Seegard bei Flensburg, den 10. April 49“. Der Brief ist also nicht nach, sondern vor dem Gefecht bei Düppel geschrieben. Sinnentstellend ist namentlich die Ersetzung des Wortes Einigkeit durch Einigung, was doch, politisch genommen, etwas wesentlich Verschiedenes ist. Der falsch wiedergegebene Schlußsatz hat ferner die Meinung entstehen lassen, als ob Fritzsche im Auftrage einer Vereinigung von Bürgern an den Prinzen geschrieben habe, während er dies ganz aus eignem Antriebe that. Bei der Bedeutung, die dem Briefe für die Geschichte der innern Entwicklung König Alberts mit Recht beigelegt wird, erscheint es geboten, ihn hier endlich im richtigen Wortlaute abzudrucken:
    Liebster Fritzsche.

    Wie sehr ich mich über Ihr Schreiben gefreut habe, können Sie sich denken, denn Sie wissen wohl, wie sehr in der Fremde die Stimme eines wahren Freundes aus der Heimath wohlthut.

    Der Krieg hier hat, abgesehen von Recht und Unrecht, das schwer zu entwirren, für mich eine höhere Bedeutung: es ist das erste Zusammenwirken der eigentlich deutschen Stämme zu einem Ziele, es ist dies der wahre Weg zur Einigkeit, und diese Bahn zu öffnen ist es Pflicht namentlich des Fürsten voran zu gehen, und gelte es das Leben, denn liebster Freund, die Monarchie stirbt nicht durch den Tod eines Gliedes, aber Deutschland geht zu Grunde, wagt es nicht durchzukämpfen.

    Für mein Volk habe ich ein Herz und daß ich es habe, möge mein freundlicher Gruß an Sie, mittelbar ein Gruß an alle gleichgestimmten Sachsen zeigen.

    Seegard bei Flensburg, den 10. April 49.
    Albert 
    H. z. S. 

    Die Aufschrift des Briefumschlags, der mit dem königlichen Wappensiegel verschlossen ist und den Dresdner Ausgabestempel vom 14. April trägt, lautet:

    Sr. Hochwohlgeb. dem Hr. Appellationsgerichtssekretair Fritzsche in Dresden.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/181&oldid=- (Version vom 10.8.2024)