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13) Freitag.... Um fünf Uhr Lehrer-Konferenz in der Akademie.... Rietschel erscheint nicht, er ist unwohl und ließ sich durch mich entschuldigen. Ich sprach ihn um Mittag. Er ist sehr angegriffen, und ich bin recht besorgt um ihn. Wäre nur schon sein Fest glücklich vorüber!

14) Samstag. Ehe ich nach dem Museum gehe, besuche ich Rietschel. Ich mußte doch wissen, wie er sich fühle. Ueber Erwarten finde ich ihn wohlgemuth ohne Bangen vor der Anstrengung, die heute seiner wartet.... Obermann sendet mir den Probedruck seines Blattes: „Wie der Stamm Benjamin sich wieder erbauet (durch Mädchenraub)“. Das Blatt ist recht schön gearbeitet. – Nach 6 Uhr begebe ich mich in das „Deutsche Haus“[1], wo die Rietschel-Feier stattfindet. Die Gesellschaft ist schon beisammen. Der Saal ist schön geschmückt. Rauchs von Rietschel jetzt in Berlin gearbeitete Büste steht in der Mitte, nach dem Platze seines Schülers schauend. Hinter Rietschels Platz ist die ganze Wand mit Grün geschmückt, in welchem des Königs Büste und die Statuen Albrecht Dürers und Giottos aufgestellt sind (Rietschels Werke). An einer Langwand erblickt man einen Vorhang, welcher ein Geheimniß verhüllt. Rietschel erscheint gegen 7 Uhr. Zu seiner Rechten sitzt Geheimer Rath Kohlschütter, zu seiner Linken ist mir der Platz angewiesen. Kohlschütter spricht den Toast auf Seine Majestät den König. Am Schlusse eines Gedichts, das ein mir Unbekannter spricht, öffnet sich der erwähnte Vorhang und sichtbar wird ein Transparent-Gemälde, welches die Goethe-Schiller-Gruppe, etwas tiefer Rietschels Büste zeigt, und es wird das erste Hoch für Rietschel ausgebracht. Dann spricht Hübner; dann ein munteres Lied von Auerbach nach der Melodie „Prinz Eugen“, abermals mit Hoch auf Rietschel. Jetzt Rietschels einfache, schöne Erwiderung und sein Dank. Nun sprechen noch Geh. Regierungsrath Spitzner, Dr. Hettner, Dr. Gutzkow, Weinlig. Zum Schluß noch ein Lied von Hammer nach der Melodie von Schillers Reiterlied, das mit den Worten endet: was auch beschwere den Kopf, nie soll es doch sein ein Philisterzopf. Rietschel ist ganz selig. Die Feier ist auch wunderschön, und niemals habe ich schöner sprechen hören als heute. Hettner, Gutzkow sprechen überaus schön. Spitzner, an Rietschels Jugend erinnernd, nahm wohl am meisten die Gemüther gefangen.

15) Sonntag. Vor Tagesanbruch dichter Nebel, dann klarer Sonnenschein. So sieht es draußen aus; wie mag es den Theilnehmern am gestrigen Feste wohl gehen? Bei Einigen wird der Nebel wohl bis Mittag dauern. Ich kann von mir sagen, daß ich mit dem Sonnenschein, das heißt heute mit Tagesanbruch bei der Arbeit bin. Es soll heute viel geschehen, damit Obermann nicht lange auf neue Beschäftigung zu warten brauche. Rietschel sendet mir einige liebe Zeilen, in denen er mir sagt, daß er sich sehr wohl fühle. „Ich bin ein neuer Mensch geworden“ sagt er „und denke an viel Gutes und Liebes, was mir zu Theil geworden, ohne zu fragen, ob ichs verdiene“. „Kein Mißton stört heute meine Freude.“ – Gott sei Dank, daß alles so gut gegangen ist! Ich war sehr besorgt, habe nun aber wieder die Erfahrung, wie so oft, gemacht, daß aus guten Elementen sich gewöhnlich ein gutes Ganzes herausarbeitet....

16) Montag.... Zusammentreffen mit Rietschel im Museum. Er fühlt sich wohler als seit lange und ist noch ganz glücklich in der Erinnerung an sein Fest. – Mengsisches Gypskabinet. Die Räume füllen sich mit ihren weißen Bewohnern. Die Elginschen und Aeginetischen Skulpturen sind aufgestellt und machen in ihren schönen Räumen eine herrliche Wirkung. Ich durchschritt die Räume, um Hettner aufzusuchen, den ich in der Angelegenheit der Steinla’schen Sammlungen zu sprechen hatte. – Meine Aufzeichnung „Die erste Salbung Davids“ kommt am Nachmittag zu Stande....

18) Mittwoch. Der Umriß des Blattes „Saul will David tödten“ wird durchgezeichnet und zum Behuf der Uebertragung auf das Holz an Joerdens befördert. Da ich einen sehr einfachen Gegenstand als letztes Blatt der 18. Lieferung geben will, namentlich um des Holzschneiders willen, dem nur wenig Zeit zum Schnitt gewährt werden kann, so wähle ich „Freundschaft Jonathans und Davids“. Ich sehne mich sehr nach einer Zeit, da ich nicht mehr gehetzt werde und andere nicht mehr hetzen muß....

19) Donnerstag.... Als ich mich rüste, um mit den Töchtern der Einladung von Baudissins zu folgen (gegen 8 Uhr), kommt Eduard Devrient, den Ludwig uns schon angekündiget hatte. Wir sehen ihn mit großer Freude; er sieht recht kräftig aus. Sein Aufenthalt wird nur kurz sein. Er geht zur Hochzeit seines Sohnes nach Berlin. Von Ludwig erhalten wir gute Nachrichten. Die halbe Stunde, die Devrient jetzt bei uns verweilt, verstreicht sehr schnell; wir sehen ihn dann aber noch bei Baudissins, wo er allerdings ziemlich spät eintrifft, wir verweilen daselbst aber bis gegen Mitternacht. Dawison, Goldschmidt, jener Nachbar vom Rietschel-Fest Präsident Rönne, Architekt Sommer und andere, natürlich auch Damen sind da. Die Gräfin Baudissin und Goldschmidt spielen einige vierhändige Sachen.

20) Freitag.... Um 8 Uhr begebe ich mich mit Marie zu Rietschels, wohin wir geladen sind, um den Abend mit Devrient zuzubringen.... Zu unserer Freude


  1. Auf der Scheffelstraße.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/178&oldid=- (Version vom 1.7.2024)