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einem zweiten Stockwerk, das über dem Dach neu angesetzt wurde, zum Opfer fiel. Damit schwand der obwohl einfache, so doch gefällige Schmuck aus kunstfroher Renaissancezeit und die vollendete Nüchternheit trat an dessen Stelle. Die Schule gewann das Aussehen, das sie bis zu ihrem Abbruch ziemlich unverändert behalten hat. Was damals geschaffen wurde, verdiente sich die Zufriedenheit der Beteiligten. Der Rektor Paufler erhob sich in einer lateinischen Rede zu folgender kothurnischen Lobeserhebung, die von der Nüchternheit des gepriesenen Bauwerks seltsam absticht: „Wir erfreuen uns eines gleichsam neu aufgeführten, nicht nur reparirten Gebäudes. Auf altehrwürdigem Grunde wie auf festen Füßen stehend, erhebt unsere Schule hochaufgerichtet ihre Augen von der Erde zum Himmel empor“.

Nicht sofort sollte die Schule zum vollen Genuß ihrer verbesserten Räume gelangen. Es brach das für Dresden so schlimme Jahr 1813 herein. Im August und September wurden die Räume trotz lebhaften Widerspruchs des Rektors von den Franzosen als Aufenthalt für die gefangenen und theils verwundeten feindlichen Offiziere in Anspruch genommen. Ueber 400 Mann lagen darin. Die Schule war förmlich ausgetrieben. Die Alumnen wohnten bei Predigern und Lehrern, der Unterricht fand außerhalb statt oder fiel aus.

Nach überstandenen Kriegswirren wuchs und blühte die Schule unter der 30jährigen Leitung des Rektors Gröbel in dem erneuten Gebäude fröhlich auf und stieg bis zu einer noch unerreichten Schülerzahl. Daher konnte es nicht fehlen, daß sich allmählich wieder Unzulänglichkeit der Räume fühlbar machte: um die Mitte des Jahrhunderts drängten die Verhältnisse immer mehr und mehr auf völligen Neubau und Errichtung eines zweckentsprechenden und würdigen Gymnasialgebäudes hin. Auf Anregung eines vom Kultusministerium unterm 27. Dezember 1846 erlassenen Regulativs für die Gelehrtenschulen wurde ein neuer Lehrplan ausgearbeitet, zu dessen vollständiger Ausführung es zumindest einer Erweiterung der Räumlichkeiten bedurfte. Ja, es wurden schon Stimmen laut, die von diesem Standpunkte, sowie von einem anderen, der bisher bei der Einrichtung von Schulen allgemein noch wenig Beachtung gefunden hatte, von dem Standpunkte der Gesundheitspflege aus, in gleicher Weise die Dringlichkeit eines völligen Neubaues betonten. Zunächst kam es aber nur zum Allernothwendigsten. In den Jahren 1849 und 1850 wurden Erweiterungen und Verbesserungen, die jenen beiden Bedürfnissen Rechnung trugen, vorgenommen. Die Rektorwohnung wurde vom Rektor geräumt und zu Schulzwecken eingerichtet, wie es unter Gröbel schon mit dem Konrektorat geschehen war. Von 1851 ab drang der Rektor Klee alljährlich in den Schulnachrichten auf Errichtung eines neuen zweckentsprechenden Gebäudes. Neben den alten Fehlern, Mangel an Raum und Licht, machten sich in diesen Jahren noch neue Uebelstände sehr stark fühlbar: der durch den wachsenden Verkehr in dieser Gegend gesteigerte Straßenlärm und untilgbare Staub und Schmutz. Im Juni 1855 wurden die Schulräume von der Gymnasialkommission, im März 1856 vom Stadtrath einer Besichtigung unterworfen und dabei die Mängel als der Art anerkannt, daß nur ein Neubau abhelfen könne. Im April d. J. ward denn auch wirklich vom Rathe eine Deputation zur Erbauung eines neuen Schulhauses niedergesetzt. Die Nothwendigkeit der Abwehrung des städtischen Verkehrs, der Beschaffung eines großen freien Raumes für die Alumnen und eines Platzes für den im Regulativ von 1846 angeordneten Turnunterricht legten die Wahl einer anderen Gegend für den Neubau nahe. Es wurde erst der Johanniskirchhof, dann der Seißsche Garten am Dohnaplatz, eben die heutige Stelle, ins Auge gefaßt. Behördlicherseits fiel noch der Umstand ins Gewicht, daß die Beschaffung einer ausreichenden Baufläche neben der alten Schule mit mindestens ebenso viel Kosten verknüpft war, als die Verwendung des genannten im Gemeindebesitz befindlichen Gartengrundstückes. Am 18. Februar 1862 endlich war der Neubau an dieser Stelle beschlossen und von den Stadtverordneten am 28. Mai genehmigt. Im Sommer 1863 wurde der Bau begonnen. Am 1. Mai 1866 ward die neue Kreuzschule eingeweiht und ihrer Bestimmung übergeben.

Das alte Haus blieb noch stehen und that für einen Halbinvaliden noch recht wackere Dienste. Die kaum von der Kreuzschule verlassenen Räume bezog die am 28. Mai 1866 eröffnete „Aushilfsschule“, später 9. Bezirksschule. Daneben kam ins Erdgeschoß die bisher in der Scheffelgasse befindliche Altstädter Sparkasse, die bis 1875 hier blieb. Nach der Uebersiedelung der 9. Bezirksschule an den Georgplatz im August 1868 nahm deren Platz zeitweilig ein Theil der 6. Bezirksschule ein bis zur Fertigstellung ihres neuen Hauses an der Stiftsstraße im November 1870. Zu Ostern 1871 bezog sodann die neugegründete 10. Bezirksschule das Haus, breitete sich allgemach darin aus und wuchs groß, bis nach fast zwei Jahrzehnten auch ihr es zu eng darin wurde. Am 26. September 1890 nahm sie von dem alten Hause Abschied und zog dann in ihr neues Heim an der Marschallstraße: Damit war das Schicksal der alten Kreuzschule besiegelt. Nachdem Anfang 1891 die Stadt das Gebäude von der Kreuzschulstiftung für 134.000 Mark erworben hatte, begann am 12. Juni der Abbruch und ein Trümmerhaufen bezeichnete bald die Stätte, wo Jahrhunderte hindurch viele Geschlechter aufblühender Jugend in Arbeit und Kurzweil sich getummelt hatten. Dr. G. Beutel.     


Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/171&oldid=- (Version vom 16.7.2024)