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zur Wiederherstellung des im großen Brande von 1744 zerstörten Rathhauses zu Wilsdruff[1].

Fand der Handel mit den oben angeführten Gegenständen nur gelegentlich statt, so gehörte dagegen der kommissionsweise Vertrieb von Medikamenten zur ständigen Einrichtung des Mohrenthal’schen Geschäfts. Durch alle Theile der Merkwürdigkeiten ziehen sich die Anpreisungen dieser Gesundheitsmittel. Da finden wir unter anderen den „gerechten“ Spiritus Bezoardicus des Herrn D. Bussii, Johann Heinrich Rüdiger’s approbirten Lebens-Balsam, die nach Art der Hallischen Medikamente von Joh. Braunschweiger verfertigten Medizinen, später die Hallischen Medikamente Friedrich Hofmann’s, Balhausen’s schwarze Magen- und Gallen-Tropfen, Hampen’s berühmte englische Essence de Beauté, den aufrichtigen Schauerl. Balsam nebst französischen und deutschen Beschreibungen, eine gute Latwerge wider die Schwindsucht, das herrliche englische Magen-Schild oder Elixir des Lebens, und was dergleichen schöne Sachen mehr sind. Unter ihnen verdient wohl das „Mohrenthalische bekannte, sehr gute, gerechte Fluß-, Wund- und Heilpflaster mit dem Signo J. F. S.“ am meisten den Anspruch auf unsere Beachtung, denn trügt nicht Alles, so scheint Mohrenthal selbst der Verfertiger, vielleicht gar Erfinder dieses Heilmittels gewesen zu sein [2].

Ueberblickt man den Geschäftsbetrieb Mohrenthal’s noch einmal im Zusammenhange, so erhält man das Bild eines ungemein rührigen, umsichtigen, gewandten Geschäftsmannes. Unermüdlich ist er darauf bedacht, seine Verlags- und Kommissionswerke anzupreisen und seine großen periodisch erscheinenden Unternehmungen zu vervollkommnen. Die zahlreichen ihm kommissionssweise überlassenen Werke zeigen, welche Achtung und welches Vertrauen in seine Geschäftsklugheit die übrigen Verleger, seine Konkurrenten in Dresden nicht ausgeschlossen, zu ihm hegten. Die Schwierigkeiten, die der lokale Privilegienschutz der vollen Entfaltung seines Buchgeschäfts zu einem umfassenden Verlags- und Sortimentsbuchhandel bot, wußte er – eine bisher unbeachtete Seite in der Geschichte des deutschen Buchhandels durch den kommissions- und pränumerationsweisen Vertrieb der neuerschienenen Literatur und durch die auch die neue geschichtliche, geographische und schöne Literatur enthaltende Lesebibliothek geschickt zu umgehen und zu beseitigen. Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, daß nicht blos die Sucht, zu verdienen, Mohrenthal dazu trieb, außer seinem Buchhandel noch Handel mit allen möglichen Gegenständen zu treiben, sondern daß er hierin einer Gewohnheit seiner Zeit folgte. Der Handel mit Kunstgegenständen, Lotterieloosen etc. kann auch heute noch bei Buchhandlungen beobachtet werden und erklärt sich bei ihm auch aus der Verbindung mit dem Antiquariat. Der Handel mit Medikamenten dagegen scheint bei einem Theil der damaligen Buchhändler überhaupt üblich gewesen zu sein. So ist z. B. Mohrenthal’s „sehr gerechtes Fluß-, Wund- und Heilpflaster“ in Leipzig unterm Rathhaus in der Boutique zum Contoir-Calender zu haben[3], Bussii gerechter privilegirter Spiritus Bezoardicus und bewährte Stein-Tinktur bei Joh. Theod. Boëtii seel. nachgelassenen Frau Tochter unterm Rathhaus zu finden[4] – beides Buchhandlungen, mit denen Mohrenthal auch buchhändlerisch in Verbindung stand[5].


Ein mittelalterlicher Spottvers.

In O. Richter’s Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte Dresdens, Bd. 2, S. 148 findet man unter den „Religionsvergehen“ ein Citat aus der Kämmereirechnung von 1475, Michel Snyder von Seifersdorf habe, als seiner Schwägerin in der Nacht das Abendmahl vom Priester gereicht worden sei, das Fähnchen, welches man dem Sakrament voraustrug, genommen und damit auf der Wilischen Gasse herumlaufend „clym clam glamm“ gesungen; dafür habe er 1 Schock 13 Groschen Strafe zahlen müssen. Wie ist der Bauer zu dem sonderbaren Texte gekommen? Durch Zufall stieß ich bei der Lektüre eines amerikanischen Litteraturerzeugnisses, der Leland’schen Breitmann’s Ballads, auf die Bemerkung, „Kling, klang, gloriam“ sei ein gewöhnlicher Refrain des 16. Jahrhunderts gewesen. Ich wandte mich um Auskunft an Professor F. M. Böhme, der in seinem altdeutschen Liederbuche „Kling, Klang, kloriang“, „Kling, klang, kloria“ und dgl. mehrfach unter den Kinderliedern und Kinderspielen


  1. A. a. O. 1745 S. 72, 1752 S. 60, 68, 76, 1753 S. 8, 12, 1754 S. 20, 24, 56.
  2. Von den zahlreichen einzelnen Erwähnungen abgesehen, finden sich z. B. größere Verzeichnisse mit den oben angeführten Medikamenten im Kern Dreßdnischer Merkwürdigkeiten 1730 S. 4, 80, 1731 S. 51, 1732 S. 51, 1736 S. 64 (24 Stück!), 1742 S. 20, 1751 S. 16, 56, 1752 S. 4, 8, 12, 64, 68, 1753 S. 8, 24, 1754 S. 16, 24, 28, 52. Auch die Curiosa Saxonica machen in den späteren Jahrgängen bekannt, daß von den Medikamenten in den Dreßdnischen Merkwürdigkeiten alle Jahre einmal spezielle Nachricht zu lesen sei (vgl. z. B. 1751 am Schluß).
  3. Kern Dreßonischer Merkwürdigkeiten 1731 S. 51, 1732 S. 52.
  4. A. a. O. 1734 S. 64.
  5. Die Boutique zum Contoir-Calender war die Verkaufsstelle der „Merkwürdigkeiten“ für Leipzig, vgl. die Bemerkungen auf den einzelnen Titelblättern. Betreffs Boëtii seel. Tochter s. z. B. Kern Dreßdnischer Merkwürdigkeiten 1736 S. 56, 60.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/154&oldid=- (Version vom 16.7.2024)