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Ich ging also mit dem Kronprinzen v. Pr. voraus, während der König v. Pr. in Begleitung unseres Kronprinzen mir auf dem Fuße folgte. Unser Kronprinz hatte ihn abgeholt, wobei der König v. Pr. ihm einige Stufen [auf] der Treppe entgegengegangen war.

Es war befohlen worden, daß die Kadetten die militärischen Uebungen in einem gartenartigen Grundstücke, gleich dem Akademiegebäude gegenüber, ausführen sollten; doch wurden sie daran durch einen starken Regen gehindert und hatten sich in das Akademiegebäude zurückgezogen, und um ihnen Zeit zur Aufstellung zu geben, vergnügte man sich damit, das ganze Gebäude von einem Ende zum andern zu durchwandern.

Der König v. Pr. konnte gar nicht verstehen, daß dieses Gebäude nur 150000 Thaler kostete, und war erstaunt, als ich ihm sagte, daß in dieser Summe auch inbegriffen wäre . . . . . . . . . . . . . . . . für den Tisch und die Betten der ganzen Kompagnie u. s. w.

Man ging dann in die Ställe hinunter, die sehr schön und mit prächtigen Schulpferden gefüllt sind.

Da ich wußte, daß der König v. Pr. es liebte, wenn man sich mit ihm de naturalibus unterhielt, so sagte ich zu ihm: „Majestät, das ist der Ort, wo die Kadetten reiten lernen.“ „Ja, ja“, sagte er, „aber sie werden dafür noch andere, besondere Plätze haben.“

Nach Durchwanderung der beiden Ställe besichtigte man die in Parade aufgestellte Kompagnie in ihrer neuen Uniform, die dem König v. Pr. sehr gefiel. Bei dieser Gelegenheit sagte ich zum Könige, daß diese Kompagnie sich nicht nur durch ihr 16 Ahnen vor dem ganzen Heere auszeichnete, sondern noch auf andere Weise. „Wie“, sagte der König, „ohne Zweifel ist sie flinker?“ „Ja, Majestät“, antwortete ich, „aber sie spannt[1] auch besser als die ganze Armee.“ Der König lachte sehr darüber und sagte: „Wahrhaftig, nichts zutreffender [als das].“ „Ja, Majestät; antwortete ich, „und die Kompagnie hat noch ein Vorrecht vor den anderen.“ „Und das wäre?“ sagte der König. „Der Gebrauch der Pike ist im ganzen Heere abgeschafft“, antwortete ich, „aber diese Kompagnie besitzt noch das Recht, sich ihrer zu bedienen“. Der König wußte sich nicht zu halten vor Lachen. – Endlich führten sie ihre Uebungen mit äußerster Genauigkeit aus, und der König bemerkte sofort die Veränderungen, die sich darin seit den Belagerungen von Stettin und Stralsund[2] vollzogen hatten.

Dann führten Major Knauth[3], erster Stallmeister des Königs, sein Sohn und vier oder fünf seiner Schüler die Schulpferde mit aller erdenklichen Geschicklichkeit vor. Der König bewunderte, mit welcher Haltung der Sohn ritt.

Darauf gingen wir nach dem Tanzsaal, wo die Kadetten ihre Sache sehr gut machten.

Dann waren wir in dem Hörsaale, wo man Philosophie im Allgemeinen, Moral im Besonderen, Sprachen, Geographie, Schreiben, Fechten und Turnen [am Pferde] lehrt.

Der König und alle Zuschauer waren entzückt über die Gewandtheit der jungen Leute.

Darauf kamen wir in das Lehrzimmer für militärische und bürgerliche Architektur, und man war voll Bewunderung über die Kenntnisse der Kadetten. Der König wurde nicht müde, ihre Arbeiten zu bewundern, und behielt sich vor, am Nachmittag noch einmal dahin zu gehen. Aber die Tafel[4] dauerte lange, weil ich Gesundheiten ausbrachte und die anderen veranlaßte, meinem Beispiele zu folgen, was die Ursache war, daß wir bis fünf Uhr bei Tische blieben.

Es waren fünf große Tafeln für 180 Personen[5], da alle Welt dazu eingeladen war bis auf die Kadetten herab. Ich ging an alle Tische.

Als der König v. Pr. sich erhoben hatte, kehrte er doch noch einmal zu den Kadetten zurück und besah noch einmal ihre Risse von Militär- und Zivilbauten mit größter Aufmerksamkeit.

Als er dann vom Kronprinzen von Polen Abschied genommen hatte, fuhr er mit dem Prinzen, seinem Sohne, und mir zu den kleinen Prinzen und der kleinen Prinzessin[6], um ihnen einen Besuch zu machen.


Das Tagebuch bricht hier plötzlich ab. Es scheint, als ob Graf Flemming, der durch seine Stellung mehr als sonst jemand während des hohen Besuches dienstlich in Anspruch genommen war, nicht mehr die nöthige Zeit fand, selbst Aufzeichnungen zu machen. Wie schon erwähnt, ist wohl auf seinen Anlaß der vollständige Bericht entstanden, der den Gesandten an den auswärtigen Höfen zugehen sollte. Es scheint, daß man in Wien, Petersburg und anderwärts mit Mißgunst das gute Verhältniß zwischen den Höfen von Berlin und Dresden betrachtete, welches sich bei Gelegenheit dieser Zusammenkünfte offenbarte. Selbst Seckendorff, der iN Berlin die österreichischen Interessen vertrat und von Flemming über alle Ereignisse auf dem Laufenden


  1. Bander“ Im Texte.
  2. Im letzten Kriege gegen Schweden.
  3. Der Oberbereiter Major Anton Knauth.
  4. Das Diner fand in der Ritterakademie selbst statt.
  5. Das Gefolge der beiden hohen Gäste betrug allein an die 100 Personen.
  6. Das sind die Kinder des Kurprinzen, von denen der älteste, Prinz Joseph August, noch im März desselben Jahres starb. Die erst ein halbes Jahr alte Prinzessin Maria Margaretha ist hier nicht mit erwähnt.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/148&oldid=- (Version vom 20.7.2024)