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bis ich dann gegen 4 Uhr so ermüdet bin, daß ich es sehr gern sehe, zum Kaffe gerufen zu werden. Es kommt nun aber auch heute ein sauberer Umriß auf dem richtigen Papier zu Stande, und morgen gedenke ich an die Ausführung mit der Feder zu gehen.... Nach der Sitzung [des akademischen Raths] 1/2 8 Uhr gehe ich mit Rietschel zu Peip[1], zu dem wir geladen sind. Es kommen noch die Excellenzen von Zeschau, von Falkenstein und von Langenn. Außerdem Geh. Rath Dr. Carus. Der Graf Radolinsky, der wohl der eigentliche Wirth ist, ist zugegen. Auch der junge von Zeschau ist anwesend. Peip liest eine Gedächtnißrede des Professor Niedner auf Luther, sodann einen Vortrag des Professor Nitzsch über Melanchthon. Beide Schriften sind sehr interessant und ansprechend. Nach der Lesung begiebt man sich zu einem Souper und entfernt sich erst gegen 11 Uhr. Der Abend war sehr belebt. Die Herrn Minister waren sehr mittheilend und liebenswürdig. Der Oberhofprediger Liebner war durch Unwohlsein verhindert zu erscheinen.

2) Sonntag.... Aus dem Hofmarschallamt erhalte ich ein Billet für die katholische Kirche zur Trauung der Prinzessin Margarethe. Die Arbeitszeit wird der Zeichnung gewidmet. Abends liest uns Roquette die beiden letzten Acte seines Dramas [„Die Sterner“] vor. Es will mir nicht gefallen, oder richtiger, es gefällt mir nicht, obwohl es mir gefallen möchte. Ich finde nirgends Eigenthümliches, Neues oder Tiefes. Es ist ein Mosaik von dagewesenen Dingen.

3) Montag.... Wegen des Zinsgroschen, der im neuen Glanze mehr unter den Spiegelungen leidet als bei dem trüben Firniß, treffen wir Verabredungen. Es sollen die untern Scheiben des Fensters mit kleinen grünen Vorhängen wie im Rafael- und Holbeinzimmer verhangen und die Thüre gegen den Rafael mit einer Portiere versehen werden. Im Atelier finde ich auch heute wie schon neulich, daß Hemken sehr tüchtig arbeitet. Sein Adam und seine Eva sind sehr brav ausgeführt. Aus dem Hofmarschallamt erhalte ich auch eine Einladung für das Théâtre paré, das übermorgen (Mittwoch) stattfindet. Abends 7 Uhr erhalte ich Nachricht durch den Kammerherrn von Budberg, daß der Erzherzog Franz Carl, Vater des Kaisers und des Erzherzogs Carl Ludwig, morgen nach 8 Uhr das Museum sehen will. Ich schicke sogleich die nöthige Weisung an Voigt.

4) Dienstag. Als ich im Begriff bin nach dem Museum zu gehen, sendet die Königin Marie und läßt mir sagen, der Erzherzog werde erst nach 9 Uhr kommen. Da ich die Möglichkeit eines Irrthums annehmen muß und Voigt nicht im Stich lassen will, der um 8 bestellt ist, so gehe ich doch bald nach dieser Zeit ins Museum. Der Erzherzog kommt aber in der That erst gegen 91/2  Uhr. Er begrüßt mich mit größter Freundlichkeit als einen alten Bekannten. Meines seligen Bruders erwähnt er als eines Freundes. Der Erzherzog sieht mit großer Theilnahme, Freude und Kunstkenntniß unsere Schätze. Er bleibt bis ein viertel vor 11 Uhr. Ich eile nun nach Hause, um mich in Staat zu werfen.... Denn ich habe mich nach der katholischen Kirche zu verfügen, wo die Vermählung der Prinzeß Margarethe mit dem Erzherzog Carl Ludwig stattfindet.... Die Handlung ist sehr feierlich. Die Musik ist wirkungsvoll, wenn auch etwas zu weltlich. Das ganze heilige Amt wird, bis auf wenige Worte am Schlusse, in deutscher Sprache abgehalten, und ich höre nichts, was mich an römisch-katholische Lehre erinnert....

5) Mittwoch. Gonne hatte mir gestern gesagt, daß er mit der Farbenskizze zu dem Altarbild für Hannover fertig sei. Ich gehe heute Vormittag zu ihm, um die Skizze zu sehen. Sie ist sehr flüchtig gemalt, zeigt aber, daß das Bild eine große Wirkung machen kann. Einige angefangene Sachen, die ich sehe, gefallen mir sehr gut. So der junge Luther, der durch Musik aus einer Ohnmacht erweckt wird. Von Gonne wende ich mich nach dem Museum, wo ich gerade zu rechter Zeit anlange, um den Kronprinzen, die Kronprinzessin und den Prinzen Georg, welche dem Erbprinzen von Dessau und seiner Gemahlin das Museum zeigen wollen, zu begleiten.... Ein viertel vor 7 Uhr begebe ich mich nach dem Theater und finde die Versammlung schon beisammen. Das Theater macht eine prachtvolle Wirkung. Die glücklichen Größenverhältnisse und die lebendigen vollen Formen der Architektur berühren mein Auge sehr wohlthuend. Beim Erscheinen der Neuvermählten wird ein dreimaliges Hoch ausgebracht. Das Festspiel ist sehr hübsch ausgedacht. Die Bayer spricht als Saxonia den Prolog. Sie deutet auf den Schmerz der Trennung, verheißt auch den liebevollen Empfang des treuen Tyrolervolks bei dem Einzug in Innspruck. Während Saxonia auf diesen Trost hinweist, erscheint Innspruck im Bilde, belebt durch eine Menge jubelnden Volks, das die östreichische Volkshymne singt. Als dieses Bild verschwunden ist, spricht Saxonia weiter und lenkt den Blick auf die Heimath, in welcher treue Liebe und Anhänglichkeit der Scheidenden bewahrt bleiben werden. Es erscheint nun das königliche Schloß in Pillnitz, die mit vielen schwankenden Gondeln belebte Elbe, deren Ufer aber mit noch mehr treuen Bewohnern belebt sind, die ihre Empfindungen in dem Gesang der sächsischen Volkshymne vereinen.


  1. Albert Peip, der Verfasser eines 1860 erschienenen Buches über Jakob Böhme, wohnte in Dresden als Hofmeister im Hause des Grafen Ladislaus Radolinsky.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/132&oldid=- (Version vom 28.6.2024)