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27) Samstag.... Abends Neukomm, der schon ganz bei uns eingewöhnt und uns auch recht lieb geworden ist....

28) Sonntag.... Um Mittag begebe ich mich in das Museum. Ich finde Schirmer und sehe noch bei ihm Rembrandts Festmahl, das allerdings sehr gewonnen hat durch die Entfernung des erblindeten Firniß. Das Gemälde von de Heem (Vogelnest) ist wieder herrlich in Stand gesetzt und wird durch weitere Entfernung des erblindeten Firniß noch sehr gewinnen.

29) Montag. Michaelis.... Abends kommt Neukomm, um auf einer Phys-Harmonika, welche er von Herrn Kaufmann hatte kommen lassen, uns vorzuspielen. Wir hatten Rietschel und Krugs und Roquette (der nun wieder hier angekommen ist) dazu eingeladen. Zum Schluß spielt Neukomm das Händelsche „Er weidet seine Schafe“ und aus Judas Maccabäus „Seht, er kommt, mit Sieg umringt“. Diese beiden Musikstücke nehmen sich herrlich auf diesem Instrument Neukomm verläßt nun Dresden bald wieder.

30) Dienstag.... Neukomm mache ich einen Morgenbesuch, der Abschiedsbesuch ist. Er selbst nimmt nicht Abschied und hat in stillen Abschiedsgedanken gestern Abend, geleitet noch von seiner „Antigone“ (meiner Tochter Marie, die ihn auf der Treppe zu geleiten und bis zu seiner Droschke zu führen pflegte, denn er sieht fast gar nichts), unser Haus verlassen. Zunächst begiebt er sich nach Leipzig, wo er wieder von Freunden (Moscheles) erwartet wird.


Oktober.

2) Donnerstag.... Die Zeichnung für das Prinzessin-Margarethen-Album wird nebenbei in Angriff genommen. Ich zeichne „Christus und die Samariterin am Brunnen“ etwas größer als die Blätter zur Bibel, aber die Komposition beibehaltend.... Im Museum finde ich Schirmer mit dem Ferd. Bol [vielmehr: Govert Flinck] beschäftiget, welcher David und Urias darstellt (No. 1205). Ein glücklicher Instinkt hat das Bild, an dem eigentlich nichts zu fehlen schien, Schirmer in die Hände gespielt. Es zeigte sich bei genauerer Untersuchung, daß an einem Rande Würmer, vermuthlich durch den Honig angelockt, der bei der Rentoilage des Bildes zu dem Kleister gemischt worden, die neue Leinwand ganz weggefressen hatten. Die alte Leinwand ist glücklicher Weise nicht im mindesten verletzt; die neue mußte aber in der Breite der Blindrahmenleiste durch einen Streifen ersetzt werden. Dieser ist nun gehörig mit Steinöl getränkt, und das wird die Würmer nicht anlocken.

3) Freitag.... Im Museum finde ich den Geh. Hofrath Bär, welcher gekommen ist, mir mitzutheilen, daß die Kaiserin von Rußland erst morgen Abend in Dresden anlangt und am Sonntag, wenn sie überhaupt im Stande ist, das Museum zu besuchen, die Galerie sehen wird. Die Galerie wird für das Publikum am Sonntag nicht eröffnet, bis die Kaiserin Dresden wieder verlassen hat, was am Nachmittag der Fall sein wird....

4) Samstag. Der Geheime Hofrath Bär kommt auch heute in das Museum, um anzuzeigen, daß die Kaiserin etwa um zehn Uhr die Galerie besuchen wird. Es wird ein schöner Fahrsessel herbeigebracht, in welchem die Kaiserin von einem Heiducken in der Galerie herumkutschirt werden wird. Ich wollte, die Geschichte wäre schon überstanden.

5) Sonntag. Gegen 10 Uhr begebe ich mich in das Museum. Bald kommen ein Paar Kosaken mit einem Tragsessel, um die Kaiserin die Treppe hinauf zu tragen. Bald nach 10 Uhr kommt ziemlich zahlreiches Gefolge. Unter ihnen Baron von Meyendorff, Schwager der Baronesse, welche in der Galerie kopirt. Er war lange Zeit russischer Gesandter in Berlin. Dann kommt die Kaiserin mit ihrem Bruder, dem Prinzen Albrecht von Preußen. Die arme Kaiserin sieht sehr leidend aus, doch behauptet sie immer noch eine aufrechte Haltung. Staatsrath Grimm macht den Führer, Inspektor Schmidt und ich sind seine Adjutanten. Grimm wollte nur etwa acht bis neun Bilder zeigen, es wurden aber mehr. Rafaels Madonna wurde gleich zu Anfang ordentlich betrachtet. Ich drängte mich nicht hervor und nahm gern Gelegenheit, mit Baron von Meyendorff und ein Paar Damen zum Rafael und andern vorzüglichen Bildern zurückzukehren, als die Kaiserin unter Grimms und Schmidts Führung nach dem östlichen Flügel des Museums sich wendete. Indessen ich wurde gerufen. Die Kaiserin war bereits unten in den Abtheilungen der Pastelle und Canaletto, wo sich unser König, die Königin und die Prinzessinnen eingestellt hatten, angelangt. Der König hatte nach mir gefragt, und der Kaiserin war inzwischen mitgetheilt worden, daß sie mich schon in München in den Kaisersälen kennen gelernt hatte. Sie richtete nun in Erinnerung Münchens freundliche Worte und Fragen an mich. Meiner Person erinnerte sie sich offenbar nicht, was sehr begreiflich ist. Prinzessin Sidonia nahm Gelegenheit, mich zu benachrichtigen, daß ihr Bruder Prinz Georg jetzt in Rom sei. Dem König fiel das Bild von Caffe auf, was uns der Pastellfabrikant Richter geschenkt hat [Bildniß des Julius Athanasius Dietz]. Es hängt in der Abtheilung der Pastelle über einer Thüre. Ich mußte mich bei dieser Gelegenheit fragen, warum das von Pastor Löhn uns angebotene Bild von der Kommission sei abgelehnt worden. Wenn es ein Bild von gleich lebendiger Auffassung ist, so wäre es immerhin würdig, der Galerie anzugehören. Gegen 12 Uhr verließ die Kaiserin das Museum.

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/129&oldid=- (Version vom 28.6.2024)