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Klee, Steinla und Gonne einfinden. Nach dem Thee bekommen wir ein kleines Abendessen. Der Abend ist sehr gemüthlich. Es ist von Bunsen viel die Rede, und zwar wird seiner mit großer Anerkennung und Liebe gedacht. Klee, der ihn nicht persönlich, sondern nur aus seinen Schriften (Zeichen der Zeit) kennt, spricht mit großer Achtung von der dargelegten Gesinnung. Sehr ansprechend ist der Bericht, den Klee über den Besuch des Königs in der Kreuzschule giebt.

20) Samstag.... Ein dicker Brief für Ringseis[1] läßt mich vermuthen, daß dieser alte Freund nicht fern von hier ist. Hjort[2], mein alter römischer Freund, kündiget sich durch einen Brief für den Abend an.... Mein Schüler Zumpe kommt mit einem jungen Künstler aus Böhmen, der ein wundervoll gearbeitetes Kruzifix aus Elfenbein mir zeigt. Es trägt den Typus Van Dyckscher Auffassung. Es ist verkäuflich. 100 Dukaten sind vergeblich darauf geboten worden.... Mit der Erwartung, nach einem kleinen Abendspaziergang Professor Hjort zu Hause zu finden, finde ich beim Eintreten den Ritter Neukomm[3]. Bald nach diesem stellt sich Ringseis mit den beiden Töchtern Marie und Bettina ein. Ringseis sieht vortrefflich aus und ist ganz der Alte. Ich begleite ihn dann nach seinem Hotel Stadt Rom, wo ich auch Frau von Ringseis und Emilie, die Dichterin (Verfasserin der Veronica), sehe. Als ich von da nach Hause komme, sitzt Hjort im Familienzimmer. Mit großer Freude sehe ich den lieben Freund wieder. Er giebt sehr interessante Berichte über die Berliner Ausstellung, noch interessantere über seine Familie, namentlich über seine weltumsegelnde Tochter. Auch Hjort begleite ich noch in Stück Weges nach Hause, dann aber begebe ich mich zur Ruh und schlafe, Gott sei Dank, mit all den Meinigen in Frieden.

21) Sonntag.... Ringseis und die Seinen versprechen heute Abend bei uns den Thee zu trinken.... Um 7 Uhr kommen die Gäste. Alex. Lesser hatte sich eingestellt, Rietschel und Frau kommen als Geladene. Der Abend vergieng äußerst heiter. Das Gespräch bewegt sich auf dem Gebiete der Münchner Zustände. König Ludwig wird viel besprochen; auch Kaulbach und seinen Wand- oder Schandmalereien an der neuen Pinakothek werden mancherlei Betrachtungen gewidmet. Ueberaus viel Freude macht uns der Gesang der Bettina und Emilie, welche uns mehrere bayerische Lieder singen. Beim Scheiden schienen alle Gäste sehr zufrieden. Ringseis war überaus gut aufgelegt.

22) Montag.... Heute Abend wird Hamlet aufgeführt. Die Ringseisischen gehen mit Ausnahme des Vaters zu dieser Aufführung und nehmen statt des unwohl sich fühlenden Vaters unsere Marie mit. Ich hatte mir auch ein Billet genommen. Mehr als die Aufführung, obwohl die besten Kräfte dabei wirken (Dawison, die Bayer), ergreift das Stück selbst mich. Es ist von Anfang bis Ende wunderbar, einzig, eigenthümlich.

23) Dienstag.... Es besuchen uns auch noch Emilie und Bettina Ringseis. Die alte Verbindung wird zwischen ihnen und den Meinigen in größter Innigkeit erneuert. Die Hausfrau hat den schönen Gedanken, ihnen die Richterschen Hefte „Erbauliches und Beschauliches“ und das soeben erst vollendete „Vater Unser“ zum Andenken zu verehren. Abends sind Gaber und Herr Cichorius bei uns. Die Homerischen Hymnen und das Landschaftsbuch werden angesehen....

24) Mittwoch. Kirchbach besucht mich, um Abschied zu nehmen. Er will also wirklich nach London gehen. Von Herzen wünsche ich, daß der kühne Schritt ihm gelingen möge. Bittere Pillen wird er genugsam schlucken müssen. Gott gebe, daß sie zur Heilung gereichen und nicht zum Untergang der edeln kräftigen Natur.... Aus Berlin erhalte ich einige Zeilen, in welchen mir der Tod meines alten Freundes und Capitolsgenossen Professor Wilh. Stier [4]gemeldet wird. Er war ein braver und sehr geistvoller Mensch.... Abends kommen Neukomm, Zumpe, tom Dieck[5] und Hemken.

25) Donnerstag. Heute vor einem Jahr eröffneten wir das neue Museum.... Hofrath Winkler (Theodor Hell), der vor kurzem irrthümlich für todt gehalten wurde (es war ein alter Geheimer Rath Winkler, aber nicht der unsere gestorben), ist nun wirklich todt. Noch vorgestern hatte er im Theaterbureau mehrere Stunden gearbeitet; erst nach seiner Rückkehr nach Hause fühlte er sich angegriffen, legt sich und stirbt.... Gegen Abend kommt Neukomm und bleibt bis gegen 9 Uhr. Er erzählt aus seinen Erlebnissen die Ereignisse der Entfernung Carls X, aus Paris und die Berufung und Thronbesteigung Louis Philipps. Er stand – und steht den Hinterbliebenen bis zur Stunde noch – den Familien beider Könige sehr nahe und war bei den erwähnten Ereignissen unmittelbar betheiliget. Wenn Neukomm Memoiren schrieb, sie könnten sehr interessant werden, denn er hat außerordentlich viel erlebt, erfahren und mit eigenen Augen gesehen.


  1. Johann Nepomuk Ringseis (1785-1880), der bekannte Münchener Arzt und Professor der Medizin.
  2. Peder Hjort (1793-1870), dänischer Gelehrter.
  3. Sigismund Neukomm, Musiker, geb. 1778 in Salzburg, gest. 1858 in Paris.
  4. Wilhelm Stier (1799-1856), Architekt.
  5. Aug. Chr. Herm. tom Dieck, geb. 1831 in Oldenburg, lebte als Maler in Dresden, wo er 1893 starb.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/128&oldid=- (Version vom 28.6.2024)