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sondern durch den Kaufmann Schramm als Privatunternehmer. Dieser hatte nämlich als Besitzer des an der innern Seite dieses Chores gelegenen Hauses gebeten, ihm die Demolition dieses Theiles der Festungswerke zu übertragen, worauf mit ihm ein Vertrag abgeschlossen wurde, laut dessen er eine Vergütung von 950 Thlr. erhielt und ihm das in den abzutragenden Festungswerken enthaltene Holz- und Steinwerk über lassen wurde. Nur die am Thore befindlichen vier Wappen und zwei Trophäen, sowie die in der über dem Thore seit 1779 befindlichen Festungsbaukirche enthaltenen Bänke, Orgel, Kanzel, Altar u. s. w. waren ausgenommen. Sowohl Schramm, als auch der Besitzer des gegenüberliegenden Hauses, der Seifensiedermeister Künzelmann, beabsichtigten ihre Häuser nach dem Pirnaischen Platze hin zu verlängern, und letzterer erbot sich, seinem Hause nach der Vorstadt hin dieselbe Façade zu geben wie Schramm, so daß beide Häuser noch jetzt ein ziemlich übereinstimmendes Aeußere tragen[1].

Die Demolition des Pirnaischen Thores begann am 5. Juni 1820 unter Oberaufsicht der Kommission und scheint 1821 beendigt gewesen zu sein. Die Passage durch das Thor selbst durfte vertragsmäßig nicht länger als zehn Wochen gesperrt werden. Auf dem Raume über dem Pirnaischen Thore befand sich außer der Kirche auch die Wohnung des Festungsbaupredigers, des bekannten Dresdner Chronisten Hasche[2].

Am 28. Mai 1820 wurde der letzte Gottesdienst in der Festungsbaukirche gehalten und derselbe alsdann in die Kirche des Jakobshospitals am See verlegt.

Das Pirnaische Thor war nicht der einzige Theil der Festungswerke, dessen Demolition durch eine Privat person erfolgte. Die Bastion Sol wurde theilweise durch den Drechslermeister Calberla zu Ende des Jahres 1818 und Anfang 1819 abgetragen. Ihm war ein Platz beim „Ausfall“ überlassen worden, auf welchen er eine Zuckerraffinerie zu errichten beabsichtigte; dieses Grundstück ist das jetzige Hotel Bellevue[3]. Die Abtragung der Reste der Courtine zwischen dem Pirnaischen Thore und der Bastion Jupiter wurde vom Hofrath Dr. Kreyßig übernommen.

Die Anlegung des botanischen Gartens erfolgte 1819, wobei die noch vorhandenen Reste der Bastion Mars beseitigt wurden. Im Jahre 1826 erfuhr derselbe durch Hinzunahme eines nach dem Pirnaischen Thore zu gelegenen Demolitionsraumes eine Vergrößerung und zwar durch den vom ehemaligen Durchgange nach der kleinen Schießgasse bis ziemlich zum Pirnaischen Platze reichenden Theil. Die Verbreiterung des Stadtgrabens zum Zwecke der Anlegung eines Gondelhafens erfolgte zwar schon 1820, doch scheint der Hafen erst von 1824 an, wo die Einfahrt durch das Batardeau erweitert wurde, regelmäßig benutzt worden zu sein.

Einige Schwierigkeiten bereitete der Abbruch der Bastion Jupiter, da dort in den Kasematten die Baugefangenen untergebracht waren und für dieselben vorher andere Lokalitäten beschafft werden mußten. Anfangs beabsichtigte man deshalb, diese Bastion nur theilweise abzutragen, entschloß sich aber später doch noch zur vollständigen Demolirung. Der Baugefangenenhof, in welchem sich die sogenannte Patientenburg für die Kranken befand, lag an derjenigen Stelle, welche später die Fleischhallen einnahmen, von denen jetzt die eine Reihe bereits verschwunden ist. Die sämmtlichen Baugefangenen waren in dem nach dem Pirnaischen Thore zu gelegenen Theile der Bastion Jupiter in sieben Gewölben untergebracht, von welchen fünf mit Schießschartenöffnungen nach dem Graben, der jetzigen Maximilians-Allee, hinaus versehen waren[4]. Die Zahl der Gefangenen betrug zur Zeit des Beginns der Demolition etwa 80. In den unter dem mittleren Theile der Jupiterbastion befindlichen Gewölben, welche die hinter dem früher von Preuß’schen Hause gelegene Erhöhung tragen, befanden sich schon längere Zeit vor der Demolirung keine Gefangenen. Diese Gewölbe sind Theile des ehemaligen Salomonisthores[5]. Die Abtragung der Bastion Jupiter begann 1822 und wurde 1825 beendigt, nachdem die Baugefangenen am 1. Juli 1824 in einem auf den Neustädter Demolitionsräumen an der Hospitalstraße erbauten Gefängniß untergebracht worden waren[6]. Zur Zeit der Ueberführung


  1. Rep. VIII. Dresden 501a.
  2. Hasche scheint sich sehr ungern von dieser ihm lieb gewordenen Behausung getrennt zu haben, auch fürchtete er, und zwar nicht mit Unrecht, durch den Abbruch der Festungsbaukirche eine bedeutende Verringerung seines Einkommens erleiden zu müssen, welches sich aus vielen einzelnen Posten zusammensetzte. Seine feste Besoldung betrug 204 Thlr. 2 Gr. 10 Pf., während er das ungewisse Einkommen auf ungefähr 200 Thlr. und den Werth seiner Wohnung auf 90 Thlr. berechnete. Die Festungsbaukirche wurde nämlich nicht allein von den Baugefangenen, sondern auch von verschiedenen Dresdner Einwohnern besucht, welche darin gelöste Sitze und Betstübchen inne hatten, deren Mietherträgniß dem Prediger zufiel. Außerdem hatte er noch verschiedene Einnahmen an Beichtgeld, Honorar für sonntägliche Kirchen Examen u. s. w. Die Demolitionskommission schlug vor, ihm für diese ungewissen Einnahmen und den Verlust seiner Wohnung eine Entschädigung von 290 Thlr. zu gewähren, so daß er einen pekuniären Verlust nicht erlitten zu haben scheint. Erwähnt sei noch, daß Hasche 1744 als Sohn eines Landmannes in Nieska bei Mühlberg geboren war und seit 1788 als Festungsbauprediger fungirte; 1822 wurde er emeritirt und starb 1827.
  3. Rep. XLIII. Dresden 267a. b.
  4. Rißschr. F. Fach 12 Nr. 3.
  5. Rep. XXII. Dresden 248. Bl. 30.
  6. Rep. XLIII. Dresden 265e. Bl. 47. 48. 50.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/120&oldid=- (Version vom 13.7.2024)