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das Kriegsraths-Collegium, das ihnen den Plan Günthers zur Aeußerung vorgelegt hatte, unzweifelhaft hervor. Denn in dieser Antwort vom 15. Juli 1747 bekennen Hänel und Pitschel mit ihrer Namensunterschrift, daß Günther seinen Plan nach diesem Einvernehmen entworfen habe. Uebrigens billigt die Antwort den Plan völlig, schlägt als Leiter der Anstalt einen der Geheimen Kriegsräthe vor und empfiehlt, daß vor Allem die Anatomiekammer in Stand gesetzt werden möge.

Durch die Beschlüsse des Königs und Kurfürsten Friedrich August vom 30. April und 8. Mai 1748 wurden die Vorschläge Günthers genehmigt, als Deputirte der Geheime Kriegsrath von Leipziger, der Hof- und Justitienrath von Heucher und der Hofrath und Leibmedikus Dr. Tittmann ernannt, sowie im Einzelnen folgende Bestimmungen getroffen: Die Anstalt erhält den Namen „Collegium medico-chirurgicum“. Lehrer sind für die Therapie der Generalstabsmedikus Dr. Hänel und künftig seine Nachfolger, für die Anatomie der Kasernenmedikus Pitschel und künftig der jeweilige Garnisonmedikus, für die Physiologie Dr. Kretzschmar und künftig ein anderer beamteter Arzt, für die Chirurgie der zum königlichen Leibchirurgen ernannte Günther und künftig der jeweilige Oberfeldscherer der Leib-Grenadiergarde. Im Uebrigen lehnt sich der königliche Befehl ebenfalls eng an den Günther’schen Plan an und setzt voraus, daß die nützliche Anstalt nun baldmöglichst in Thätigkeit treten werde.

Diese Voraussetzung erfüllte sich freilich, da sich die Verhandlungen über die Wahl und Einrichtung der erforderlichen Räume auf Monate lang fortspannen, erst im November 1748, wo das Collegium eröffnet wurde und seine Lehrthätigkeit begann.


Fast alle Neuschöpfungen und Erfindungen haben ihre Vorläufer und vorbereitenden Anfänge sowie ihre an dem Werke betheiligten Haupt- und Nebenpersonen; und es hält daher für die Nachwelt oft schwer, das Gewicht aller der Einflüsse zu bestimmen, die der eine und andere Umstand, die eine und andere Persönlichkeit ausgeübt hat, und insbesondere welcher dieser Personen die Palme gebührt.

Es kann, nachdem sich das Grab über dem Dresdner Collegium medico-chirurgicum schon längst geschlossen hat, nicht von praktischer Bedeutung sein, die angeregten Zweifel ausführlich zu erörtern und lösen zu wollen. Nur ganz kurz möchte ich im Allgemeinen die Rollen, die die fünf betheiligten Personen, Mittermeyer, Platner, Hoffmann, Pitschel und Günther, dabei gespielt haben, kennzeichnen.

Nach meiner Auffassung ist der ehemals von Mittermeyer an die Feldschere etc. ertheilte Unterricht gewissermaßen das Vorwort zur Entwickelungsgeschichte der Anstalt, hat aber ebensowenig, wie der Antrag der Dresdner Barbiergesellschaft, mit der Gründung einer Anstalt, die auch von keiner der beiden Stellen beabsichtigt war, etwas zu thun.

Der Antrag Platners beschäftigt sich schon mit einer eigentlichen Anstalt, aber doch nur unter Befürwortung der engsten Anlehnung dieser Anstalt an die bereits vorhandene Hochschule und unter absichtlicher Nichtbeachtung Dresdens, des künftigen, die Verfassung des Collegiums wesentlich mitbedingenden Sitzes der Anstalt.

Der Antrag Pitschels zielt anfangs nicht auf eine selbständige Anstalt ab, sondern thut es erst später, nachdem ihm wahrscheinlich Pläne desselben Zieles vorgelegen haben, und nachdem ihm die Mängel seiner ersten Vorschläge und die Grenzen des Erreichbaren durch die Verhandlungen zum Bewußtsein gekommen sind. Seinem Selbstlobe, er sei der „Erfinder" der Anstalt, muß die Anerkennung um so mehr versagt werden, als er es durch Verdächtigungen zu begründen sucht, die durch aktenkundige Thatsachen nicht gestützt werden können.

Der Antrag Günthers enthält unstreitig den vollkommensten von allen eingereichten Plänen. Allein auch er hatte die vorausgegangenen Pläne Anderer gekannt und sich obendrein die Ergebnisse vielseitiger Vorverhandlungen zu Nutze machen können, so daß hierdurch sein Verdienst um die Gründung der Anstalt – allerdings mehr sein wissenschaftliches als sein praktisches – beträchtlich herabgedrückt wird.

Der älteste Plan für die Errichtung eines Dresdner Collegium medico-chirurgicum, auf den die amtlichen Verhandlungen immer wieder zurückgreifen, ist der Hoffmann’sche. Zwar hat sich Hoffmann, der sechs Jahre nach der Einreichung seines Antrags starb, nicht mehr an der Verwirklichung seiner Wünsche betheiligen können; aber den Grund zur Anstalt hat er mit seinen neuartigen, bündigen, nur das Wesentliche ins Auge fassenden, aber dieses erschöpfenden Verfassungsvorschlägen unstreitig gelegt.

Es sei deshalb gern noch einmal, wie es die „Geschichte des Königlich Sächsischen Sanitätskorps“ bereits, wenn schon nicht kritisch, gethan, die Ursprünglichkeit der Hoffmann’schen Arbeit und das Hauptverdienst Hoffmanns um die Gründung der Anstalt ausdrücklich betont. Generalstabsmedikus Dr. Hoffmann ist der geistige Urheber des einstigen Dresdner Collegium medico-chirurgicum.

Nun noch einige Schlußworte über die Lebensschicksale dieser Anstalt. Nach vierzigjährigem Bestehen hatte das Kollegium die Probe glänzend bestanden. Es hatte in der Kaserne zu Dresden-Neustadt festen Fuß gefaßt, und ein für 200 Zuhörer bestimmter Hörsaal

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/12&oldid=- (Version vom 30.5.2024)