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abgeben. Das eingereichte Gutachten ging dahin, daß es wegen des Zeughauses, der Archive, Kassen und sonst in Dresden befindlichen Kostbarkeiten bedenklich scheine, die Demolition zu empfehlen, wobei darauf hingewiesen wird, daß Dresden wegen der Nähe der Landesgrenze leicht einem feindlichen Ueberfall ausgesetzt, mit den offenen Residenzen Paris, London und Madrid aber aus verschiedenen Ursachen nicht zu vergleichen sei; auch seien viele andere Residenzstädte wie z. B. Wien, Turin, Mainz, Bonn, Mannheim, Kopenhagen etc. befestigt. Berlin, sagen die Kommissare weiter, würde den ersten feindlichen „Coup“ mit solcher Geschwindigkeit auch nicht erhalten haben, wenn es nicht seiner alten Befestigungen aus dem Grunde beraubt gewesen wäre, daß man es, weil fast mitten in Brandenburg gelegen, durch die Festungen Magdeburg, Stettin, Spandau und Küstrin für genügend gedeckt gehalten hätte. Eine offene Stadt sei in Kriegszeiten wie ein Dorf jeder Eventualität ausgesetzt. Es wird deshalb vorgeschlagen, die Festung wieder in Stand zu setzen, mit Außenwerken zu versehen und die Vorstädte durch eine wenigstens 400 Schritt breite Esplanade vom Stadtgraben zu trennen[1].

Das Gutachten wurde dem Geheimen Konsilium zugefertigt, welches am 10. Juni 1761 ebenfalls ausführlichen Vortrag über die Sache erstattete und die zum Wiederaufbau der Stadt Dresden ernannte Kommission zu Rathe zog[2]. Diese Kommission bestand aus dem Konferenz- Minister und wirkl. Geh. Rath von Stammer, Geh. Rath von Heringen, Geh. Rath von Wurmb, General-Major von Zeutzsch, Geh. Kriegsrath von Hagen, dem Kammer- und Bergrath Lindemann und dem Hofrath Gutschmid; außerdem wurde noch der Generalfeldmarschall Graf Rutowski dazu gezogen.

Die Kommission erklärte, daß es bei Entscheidung der Frage über Demolirung oder Beibehaltung der Festungswerke darauf ankomme, in welchem Zustande der Vertheidigungsfähigkeit sich das Land nach beendigtem Kriege befinden werde. So lange fremde Truppen im Lande seien, würde ohnehin nichts weiter zu thun sein, als die Sache im gegenwärtigen Zustande zu lassen, doch möchten bis zur Entscheidung der Frage die Besitzer der Brandstellen in den Vorstädten vom Wiederaufbau ihrer Häuser möglichst abgemahnt und denjenigen, deren Grundstücke zu nahe am Stadtgraben lägen, der Wiederaufbau auf demselben Platze schlechterdings untersagt werden. In der Stadt solle man die Häuser feuer- und bombenfest erbauen und die obersten Stockwerke durch eine Elle hoch mit Schutt zu bedeckende Balken schützen. Dem Vortrage sind die Einzelgutachten fast aller Kommissionsmitglieder beigefügt, welche sich mit Ausnahme von Wurmbs sämmtlich im Sinne des darauf gegründeten Vortrags aussprechen. In dem Gutachten von Wurmbs heißt es dagegen, daß Dresden beim schwedischen Einfall im Jahre 1706 nach dem damaligen Stande der Kriegsverfassung noch als eine respektable Festung zu betrachten gewesen sei, was 1745 und 1756 nach dem Urtheile erfahrener Generale nicht mehr der Fall gewesen. Die österreichischen Generale hätten ihm selbst gesagt: Daß sie mit der Vertheidigung Dresdens sich so viel Ruhm erworben, hätten sie meist den Fehlern des Feindes zu danken, der zwar mit Verbrennung der Häuser vorgegangen sei, aber den Graben auszufüllen vergessen habe. Andernfalls würde die Besatzung die Rückkunft der österreichischen Armee wohl schwerlich haben abwarten können. Es sei aber nicht vorauszusetzen, daß derartige Fehler jedesmal wieder gemacht werden würden. Eine Esplanade von 400 Schritt sei zu wenig, um Außenwerke darin anzulegen, und ohne solche werde der Zustand der Festung nicht wesentlich verbessert[3].

Unterm 18. Februar 1762 ergingen sowohl an den Generalfeldmarschall Grafen Rutowski als auch an das Geheime Konsilium Reskripte des Inhalts, daß der König nach reifer Erwägung des vom Geheimen Konsilium erstatteten Berichts den Entschluß gefaßt habe, zu Beförderung des Wiederaufbaues der Stadt Dresden, sobald er wieder nach eigenen Mitteln zu disponiren freie Hand habe, die Ausfüllung des Stadtgrabens sowie die Abtragung der Wälle ohne weiteren Anstand unabänderlich veranstalten und die Stadt mit ihren Vorstädten in unmittelbaren Zusammenhang bringen zu lassen. Die für Beibehaltung der Befestigungen sprechenden Gründe hätten diesen Entschluß um so weniger zurückhalten können, als die zur Wiederherstellung der Festungswerke nöthigen Kosten nicht viel geringer sein dürften, als wenn eine neue reguläre Festung anderwärts, es sei an der Grenze, an einem Flusse oder sonst an einem andren vortheilhafter als Dresden gelegenen Orte, angelegt würde. Auch dürfte die Wiederinstandsetzung der Befestigungen Dresdens so viele Jahre erfordern, daß die Besitzer der abgebrannten Häuser und andere betriebsame Einwohner und Fabrikanten wegen künftig zu besorgender Gefahr eher von hier weggetrieben als sich wieder hier zu etabliren bewogen werden könnten. Wenn die Residenzstadt Dresden aller Gestalt und Eigenschaft einer Festung entnommen werde, sei sie allen fernerweiten Besorgnissen einer Belagerung und Bombardirung überhoben. Diese Entschließung sollte den Einwohnern bekannt gemacht und


  1. Bl. 46f. 70 ebenda.
  2. Bl. 104f. ebenda.
  3. Bl. 118f. ebenda.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/114&oldid=- (Version vom 12.7.2024)