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und sechs andere als Anwärter anzunehmen. Sie haben sich zu Kriegsdienst zu verpflichten, rücken allmählich in die Regimenter ein, und werden bei ihrer späteren Niederlassung mit gewissen Vorrechten bedacht werden. Die nöthigen Leichen werden so gewonnen, daß die Leipziger Obrigkeit, wie bisher, die Todten aus den Lazarethen einliefert, daß die Leichen, die armuthshalber nicht beerdigt werden können, diejenigen der Hingerichteten, der Selbstmörder, im Nothfalle auch die in Waldheim Gestorbenen zur Verfügung gestellt werden. Der Kurs beginnt nach der Michaelismesse und dauert den Winter hindurch. Dem Professor der Anatomie und Chirurgie ist ein Demonstrator der Chirurgie und für die Reinhaltung der Anatomiekammer ein Diener zu bewilligen. Ueber innere Krankheiten und Arzneimittel wird im Sommer gelesen. Die Chirurgen, die sich im Lande niederlassen wollen, haben einen anatomischen Kurs durchzumachen. Da ihnen dadurch Unkosten erwachsen und es daher wünschenswerth ist, daß sie sich „an einer ergiebigen Praxis wiederum erholen“, so sind die Verordnungen gegen die Pfuscher und Quacksalber zu verschärfen. An staatlichen Ausgaben erwachsen durch den Kurs solche für die Instrumente, für die Begräbnisse der Leichen, für die Verpflegung der Pensionäre und für die Entschädigung der Professoren. Die Aufsicht führt die medizinische Fakultät. Zu ihrer praktischen Ausbildung kann der Leipziger Rath die Pensionäre in den Lazarethen und bei den Almosen-Kranken zulassen; besser aber ist es, in Leipzig ein Invalidenhaus[1] zu errichten und die Invaliden aus dem Lande, nämlich aus Waldheim, Torgau und Dresden nach Leipzig bringen zu lassen. Ein geeigneter Mann hat jeweilig auswärtige Chirurgenschulen zu besuchen, damit es niemals an tüchtigen Demonstratoren fehlt.

Dieser Plan des berühmten Platner ist ein Meisterstück der Organisation. Nichts, was zu einer wohl geordneten Lehranstalt gehört, entgeht Platners Scharfblick. Lehrer, Schüler, Unterrichtsmaterial – alles leitet er weit ausschauend in gangbare Bahnen. Es macht den Eindruck, als ob er alles schon vorbereitet und erprobt habe und als ob er nur auf den Wink des Herrschers warte, um anderen Tages aus dem Nichts eine segensreiche Werkstatt der Wissenschaft hervorzuzaubern.

Trotzdem ist Platners Plan nicht zu entsprechender Beachtung gelangt, und vor Allem hielt man, was die Ortswahl anlangt, an Dresden fest, wo zwar alles das, was in Leipzig schon fertig dastand, neu geschaffen werden mußte. Am 6. Februar 1740 befürwortet das Geheime Kriegsraths-Collegium beim Könige die Errichtung einer chirurgischen Lehranstalt unter Bezugnahme auf den Hoffmann’schen und Platner’schen Plan, betont aber von vornherein, daß zur Unterkunft der Anstalt Dresden sich besser eigne, weil alle Feldschers der Infanterie allmählich nach Dresden versetzt werden, weil ein besonderes Lazareth für die Garnison Dresden „angelegt“ sei, und weil in diesem wie auch in den Dresdner Hospitälern, dem Stadtlazareth, den Waisenhäusern und dem Festungsbau Gelegenheit zu Operationen geboten sei. Als Lehrer empfiehlt das Geheime Kriegsraths-Collegium den Generalstabsmedikus Dr. Hoffmann, weil dieser die Regiments- und Kompagnie-Feldschers prüfen und ihnen berathend zur Hand gehen soll, ferner den Garnisonmedikus Dr. Bartholomaei, den Stabsmedikus Dr. Ruppius, den beim ungarischen Korps befindlichen Generalstabschirurgus Wassermann[2], den Regimentsfeldscher Oezmann, Oberfeldschere Täubert und Müller. In den übrigen Einzelheiten verhält sich diese hohe Behörde zustimmend zu dem Hoffmann’schen Plane und empfiehlt schließlich dem Könige, diesen sowie den Platner’schen Plan durch die Leib- und Hofmedici prüfen zu lassen.

Dieser Bericht des Geheimen Kriegsraths-Collegiums ist ein Schlußwort. Darüber, wie sich der König und seine Medici zu dem Plane gestellt haben, ist nichts bekannt. Es tritt dreijähriges Schweigen ein, dessen Ursache offenbar in dem inzwischen ausgebrochenen und anderweit in Anspruch nehmenden ersten schlesischen Kriege (1741 bis 1742) liegt.

Im Jahre 1743 war es, als der mehrerwähnte Stabsmedikus Dr. Pitschel dieses Schweigen unterbrach. Aus späteren Nachrichten ist zu ersehen, daß Pitschel schon am 3. Januar 1743 und am 11. Februar 1743 Berichte an den König erstattet hat, in denen er nicht zwar eine ordentliche Lehranstalt, aber die Erlaubniß zur Unterrichtsertheilung unter Benutzung von Privatsektionen an verstorbenen Baugefangenen, an Selbstmördern, an den im Krankenhaus Verstorbenen und an Hingerichteten in einem Kasernenraume erbittet. Dieser neue Vorschlag, einfacher und billiger ausführbar als der Hoffmann’sche, hat, wie aus Späterem hervorgeht, nicht verfehlt, Eindruck auf das Geheime Kriegsraths-Collegium zu machen, so daß sich dieses nunmehr lediglich mit den Pitschel’schen Gedanken beschäftigt. Aufgefordert, die Bedürfnisse für ein Collegium anatomico-chirurgicum anzugeben, steigert Pitschel seine Ansprüche und beantragt am 9. April 1743


  1. Die Bezeichnung „Invalid“ bedeutet hier wohl so viel wie „kranker Militär“, so daß Platner ein Leipziger Garnisonlazareth gewünscht hat. Jedenfalls ist dieser Wunsch nicht bald in Erfüllung gegangen; denn erst auf einen Antrag des Generalstabsmedikus Dr. Hänel ist am 5. Mai 1751 die Errichtung von „Regimentsstabsspitälern“ beschlossen worden.
  2. Einem Generalstabsfeldscher Wassermann begegnen wir 1741 bei der Erstürmung Prags wieder (S. 21 der „Geschichte des Königl. Sächs. Sanitätskorps“).
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/10&oldid=- (Version vom 30.5.2024)