Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/9

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Die alten Turniere wurden meist auf dem Markte abgehalten, der den größten Raum dazu bot; später jedoch trat der Markt als Turnierplatz hinter der neuen Stallbahn im Stallgebäude zurück, die 1589 fertig war. Bei den Turnieren und Rennen auf dem Markte versammelte sich der Hof auf dem Rathaus, wo er das ganze Schauspiel gut übersehen konnte. Die Stechbahn wurde durch Aufschüttung von Sand hergestellt und von Schranken umschlossen. Für diese Zurüstungen hatte der Rat zu sorgen. In den städtischen Rechnungen wird zum erstenmal 1409 ein Turnier auf dem Markt erwähnt, weitere Turniere im 15. Jahr hundert finden sich in den Jahren 1410, 1451, 1462. Im November 1524 bei Gelegenheit der Vermählung Joachims II. von Brandenburg mit Herzog Georgs Tochter Magdalena fand auf dem Markt, als die Herrschaften von der Trauung aus der Kreuzkirche kamen, ein Rennen von vier Paaren statt, an den folgenden Tagen sind nach einander fünf Turniere auf dem Markte abgehalten worden, bei denen auch die Fürsten mitrannten: der Bräutigam selbst, die Söhne Herzog Georgs, Wolf zu Anhalt, Albrecht von Mecklenburg, Philipp von Braunschweig; Kurfürst Joachim I., der Vater des Bräutigams, stach seinen Marschall Dom Pferd; den ersten Dank oder Preis erstritt sich der spätere Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige und nahm ihn aus den Händen der Braut entgegen. Ein großes Turnier und Ritterspiel veranstaltete Kurfürst Moritz zu Fastnacht 1553: die Stechbahn reichte vom Schloß bis auf den Altmarkt; am zweiten Tag ward ein auf dem Markt errichtetes Haus, das eine von Türken besetzte Festung darstellte, beschossen und mittels einer achträdrigen „Katze“ gestürmt; an diesem Spiel, einer Art Festungsmanöver, waren auch 120 junge Bürger beteiligt. Ein großer Liebhaber der Turniere war Kurfürst August in seinen jungen Jahren, der seinem Adel ein gutes Beispiel ritterlicher Tüchtigkeit geben wollte: er saß 55 mal im Turniersattel und von 29 seiner Rennen hat der Hofmaler Heinrich Göding Bilder auf Holz gemalt, die heute noch in der Gewehrgalerie hängen. Bei einem Turnier auf dem Markt zur Feier der Taufe seines Sohnes Alexander im Jahr 1554 wurde er von Sigmund von Miltitz in den Sand gestreckt. Bei der Taufe seines Sohnes Joachim 1557 fand auf dem Markt ein Rennen und Scharmützel von „wilden Männern und Riesen“ statt. Eine volle Maskerade aber waren die Ringrennen im September 1602 gelegentlich der Hochzeit Kurfürst Christians II. mit Hedwig von Dänemark. Die Bahn auf dem Markt war mit Brettern beschlagen und umgeben von 62 mit Laub und Malerei geschmückten Schwibbögen, in den vier Marktecken ragten Portale mit Statuen, dem Rathaus gegenüber stand eine Ehrenburg, wo die Musik und die Kampfrichter ihren Platz hatten; in der Mitte des Platzes zwischen Rathaus und Ehrenburg befand sich die eigentliche Rennbahn mit sechs von Figuren besetzten Portalen. Die Manutenatoren, d. h. die Herausforderer, die den Aventurierern, den Angreifern, standzuhalten hatten, waren der Bräutigam selbst, der Herzog Don Lüneburg und der Hofmarschall, der Führer der Angreifer war des Kurfürsten Bruder Johann Georg I.; die Hofgesellschaft 30g in bunten Kostümen auf: Tataren, Mönche, Bergleute, Afrikaner, Welsche, Türken, Venetianer, Wilde, nackte Jungfrauen in blauen Schürzen, Mohren, Jäger, Bauern. Das letzte dieser Art Spiele auf dem Altmarkt fand am 12. September 1719 bei der Hochzeit des Kurprinzen statt: ein Roß- und Fußturnier der „Abencerrager und Zegerer“: rings um die Schranken der mit Brettern belegten Bahn standen Grenadierkompagnien, die Königliche Familie nahm in einer Loge Platz und drei Kanonenschüsse vom Kreuzturm gaben das Zeichen zum Beginn des Turniers.

Aber das seltsamste Fürstenvergnügen für den Marktplatz einer Stadt waren die Tierhetzen und Jagden, wie fie im 16. und 17. Jahrhundert des öfteren hier vorkamen. Seit Kurfürst August spielte die Jagd eine große Rolle am sächsischen Hof. Und offenbar fand die gesteigerte Jagdleidenschaft einen besonderen Reiz gerade darin, den Wald und seine Tiere in die Stadt zu zaubern und die breiteste Öffentlichkeit zum Zeugen fürstlicher Waidmannsluft zu machen. Schon 1557 hielt Kurfürst August eine Jagd auf Hirsche, Rehe, Füchse und Hasen auf dem Markt ab. Die beiden größten Hetzjagden daselbst fanden zu Ehren fürstlicher Besuche vom 6. bis 8. März 1609 und am 7. August 1617 statt; beide sind für die Nachwelt in bildlichen Darstellungen festgehalten worden. Im erstgenannten Jahre waren einige ernestinische Vettern und der Markgraf von Kulmbach bei Hof zu Gaste, 1617 aber stattete Kaiser Matthias mit glänzendem Gefolge dem Kurfürsten einen dreiwöchigen Besuch ab, Dom 25. Juli bis 13. August, in feiner Begleitung befanden sich auch der spätere Kaifer Ferdinand II, und Erzherzog Maximilian; zu jener Jagd, die ein Glied in einer langen Reihe von Vergnügungen war, ließ sich der Kaiser, da er unpäßlich war, im Stuhl tragen. Diese Tierheßen auf dem Markt haben alle ungefähr ein und dasselbe Gepräge gehabt. Don der Vorderseite des Rathauses nach den Marktseiten herüber, sowie an allen Gassenausgängen war der Platz durch hohe Bretterwände abgesperrt, die mit Jägergestalten bemalt waren. Dichte Reihen von Zuschauern guckten hinter den Wänden von Holzgerüsten herab und hielten die Häuser bis zu den Dächern hinauf besetzt. Der Platz war mit Bäumen und Buschwerk bepflanzt und mehrere große Wasserbehälter standen da, desgleichen ein Gestell zum Ausweiden der Tiere nach

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/9&oldid=- (Version vom 18.12.2024)