Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/5

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

er auch unmittelbar der Schauplatz schicksalsreicher Begebenheiten und Vorgänge.

Die äußere Erscheinung dieses Schauplatzes, welche Wandlungen, in kurzen Umrissen nur, hat sie nach einander während der Jahrhunderte durchgemacht, bis sie das heutige Aussehen gewann? Um den Markt herum an der Süd- und Westseite floß bis ins 18. Jahrhundert unbedeckt in einem Gerinne, wie man es heute noch in manchen deutschen Städten findet, ein künstlicher Arm der Kaitzbach, in erster Linie zu Feuerlöschzwecken, dann auch zu Gewerbs- und Reinigungszwecken dienend. Bei der Kreuzpforte über den Stadtgraben geleitet, kam sie von der Kreuzgasse her auf den Markt und floß durch die Schloßgasse und die große Brüdergasse wieder zur Stadt hinaus der Elbe zu. Die nördliche Fläche des Marktplatzes nahm das Rathaus ein, das urkundlich zuerst 1380 so genannt wird, unter dem Namen Kaufhaus aber bereits 1295 vorkommt und mit seiner Entstehung aller Wahrscheinlichkeit nach bis in die Zeit der Stadtgründung zurückreicht. Die Rathauskapelle, die 1407 angebaut wurde, bewahrte die alte gotische Gewandung bis zum Abbruch, während das Rathaus selbst sie durch Umbauten namentlich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit der Renaissanceform vertauschte, die es bis zuletzt zeigte. Um das Erdgeschoß des Rathauses rankte sich ein malerisches Geniste von Buden und Verkaufsbänken: die Garküche, die Ratswage, die Gewand-, Fleisch-, Brot-, Fisch- und Schuhbänke und die Kramerbuden. Im Jahre 1707 wurde dieses Rathaus mit seinem Beiwerk abgebrochen und der ganze Platz freigelegt. Rechts vor dem Rathaus, nach der Badergasse zu, stand neben Pranger und Gerichtsbank seit 1478 ein großer hölzerner Röhrtrog, an dessen Stelle 1653 ein steinerner Wassertrog mit einem Standbild der Gerechtigkeit trat. Auf der Südfläche des Platzes erhoben sich seit 1726 vorübergehend die Hauptwache, sodann die Ratswage, dauernd aber wieder seit 1746 ein Bau, der freilich in seiner nüchternen Unansehnlichkeit das Gegenteil eines Ersatzes für das malerische alte Rathaus war: das Chaisenhaus. Von den Anwohnern und der Bürgerschaft von jeher als Verunzierung des Altmarktes angefochten und verspottet, hielt es sich doch weit über 100 Jahre und fiel erst 1878. Zehn Jahre später wurde auch der Gerechtigkeitsbrunnen abgebrochen, der übrigens seit 1842 nur eine Säule an Stelle des Standbildes der Gerechtigkeit trug. Das Siegesdenkmal mit der Germania, das von der Mitte des Platzes aus dem heutigen Antlitz des Altmarkts den Grundzug aufprägt, wurde am 1. September 1880 enthüllt, und die beiden großen sechsarmigen Lichtträger stehen seit dem Jahre 1899. – Auch die Häuserreihen, die den Platz umschließen, haben ihr Gesicht nach und nach langsam verändert. Ursprünglich vielleicht vielfach von Holz und Fachwerk, haben sie sich, der übrigen Stadt voranschreitend, allmählig ganz in ein steinernes Gewand gekleidet; und, anfangs wahrscheinlich durchweg nicht höher als zweistöckig, wuchsen sie seit dem 16. Jahrhundert auf drei und allgemach weiter auf vier und fünf Stock. Die Umwandlung des Marktes aus Holz in Stein hat sich wesentlich unter dem Einfluß des großen Stadtbrandes von 1491 vollzogen. Die gotische Bauart ist noch zu Canalettos Zeit in der Marienapotheke und den Nachbarhäusern bis zur Frohngasse erhalten. Heute schaut aus dieser Bauepoche nur noch der Erker des Eckhauses Wilsdrufferstraße 2 in den Markt herein. Das letzte der gleichfalls noch gotischen Heiligenbilder an den Häuserecken, der Heilige Nikolaus, mußte mit dem Hause selbst vor drei Jahren von seinem Platze weichen und steht nun im Innern des Herzfeldschen Neubaus. Das älteste Haus, nach seiner wesentlichen Gesamterscheinung, ist das mit dem Erkergiebelrelief Kind und Totenkopf gezierte Rennersche Eckhaus an der Schreibergasse, das ungefähr so wie es jetzt ist aus der Renaissancezeit vom Ende des 16. Jahrhunderts stammt. Sonst sind aus der Renaissance nur noch einige Erker und Giebel übrig, die Erker an den drei Eckhäusern der Seestraße und Webergasse, und der Giebel des Ebersteinschen Eckhauses, der an dem damit verschmolzenen Nachbarhause wiederholt wurde; das Wahrzeichen des „Israel“ über der Tür dieses Nachbarhauses, ein vergoldetes Relief vom Kampfe Jakobs mit dem Engel, befindet sich jetzt in der Mitte des neuen Doppelgiebels. Dazu kommt an dem Hause Altmarkt 3 ein anmutiges Relief singender und springender Knaben mit der Inschrift Olim aliter: einst wars anders! Einst hat man allerdings nicht künstlerischen Häuserschmuck mit großen Firmenbrettern verschlagen, wie es dies hübsche Relief sich jetzt gefallen lassen muß. Dem Barock gehören an: die Löwenapotheke samt dem Nachbarhaus, sowie das Eckhaus neben der Marienapotheke. Dann aber auch das Rathaus. Nach dem Abbruch des alten Rathauses wurde das Eckhaus an der Scheffelgasse angekauft und zum Rathaus eingerichtet, mußte aber 1740 wegen Baufälligkeit abgetragen werden, womit zugleich das jetzt im Altertumsmuseum aufbewahrte Eckstandbild Johannes des Täufers fiel. Das an derselben Stelle neu errichtete Rathaus wurde 1745 bezogen; zur selben Zeit wurde das in Privatbesitz befindliche Nachbarhaus am Markt auf höheren Befehl mit gleichartiger Fassade ausgestattet, sodaß es äußerlich mit dem Rathaus zusammen als ein Bauwerk erschien: 1861 dazu gekauft, wurde es nun auch im Innern mit dem Rathaus zu einem Bau verschmolzen. Auch diese Wandlungen des Rathauses versinnbildlichen so recht die Entwicklung der Stadt. Frei auf dem Markt stand es als Sitz mittelalterlich städtischer Gewalt und beherrschte den

Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/5&oldid=- (Version vom 18.12.2024)