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Jedenfalls ist Wilhelm Weber eine hohe Größe, und ich stimme ebenfalls für ihn, und zum zweiten für Keller[1]. Jedenfalls schreib ich heut noch an Weber, keineswegs ihn zu fragen, sondern ihn durch unsern Entschluß zu einem bestimmten Handeln zu bringen. Möglich, daß es ihm nicht angenehm ist, für seinen Bruder stimmen zu sollen, und – da er doch nach seiner Ueberzeugung für ihn stimmen müßte, die Abstimmung ganz zu unterlassen. Wegen Keller will ich ihn ins Klare bringen.

Ich schicke morgen oder übermorgen meine Abstimmung nach Berlin.

Sei recht herzlich gegrüßt von dem

Deinigsten
E. Rietschel.     

     Donnerstag früh.


37.
Lieber theurer Freund

Es ist uns recht betrübt, daß kein’s von uns Eurem frohen Familienfeste[2] beiwohnen kann. Von mir war es nicht anders zu erwarten, doch auch meine Frau kann nicht theilnehmen, da sich bei ihr gestern ein heftig Zahngeschwür entwickelt und ihr Gesicht geschwollen hat.

Mögen Eure und die Wünsche aller theilnehmenden Freunde sich erfüllen, und für das liebe Brautpaar dieser Tag ein Tag fortdauernden Glückes werden. Dazu wolle Gott seinen Seegen geben[3].

Mit den allerherzlichsten Grüßen und besten Wünschen auch von meiner Frau treulichst

der Deine
E. Rietschel.     

     Den 25. April 1860.


38.
Liebster Schnorr

General v. Webern schreibt mir, daß er mir auf meine Wünsche, natürlich sub rosa mittheilen könne, daß die Mehrzahl der dortigen (Berliner) Stimmen in Betreff des Mathematikers sich auf Prof. Neumann in Königsberg und bei dem Geschichtsforscher auf Prof. Dr. Friedrich v. Raumer in Berlin vereinigen dürften, obgleich wegen letztern Häusser in Heidelberg (ich hatte auch an diesen und v. Sybel in München gedacht) auch wohl in Frage ist. Raumer (schreibt Herr v. Webern) war vorgestern 80 Jahr, ist wegen seines Vortrags, damals vor dem Könige[4] genug verklagt und hintenangesetzt worden, und wohl ein kleines Pflaster auf die Wunde Bedürfniß etc. etc. etc.

Da nun Raumers Name seiner Zeit als der eines ersten Geschichtsschreibers (in seinen Hohenstaufen) geglänzt, so halt ich dafür daß [!], selbst wenn er in Diesem und Jenem von Nachfolgern übertroffen wird, doch für eine Pflicht, weil er den spätern doch immer wieder als Stütze und Postament gedient hat, die Anerkennung seiner Verdienste auszusprechen, zumal Häussern und Sybel in wenigen Jahren diese Auszeichnung gesichert ist. Für uns ist es nur die Consequenz unsrer Stimmabgabe für Herrn v. Klenze.

Stimmst Du also: für Mathematik Prof. Neumann in K. und für Geschichte Prof. F. v. Raumer[5], so theil mirs mit, da ich so stimmen würde, wenn Du nicht Gründe hast, die mich davon abgehen lassen.

Mit herzlichem Gruß
Dein E. Rietschel.     

     Den 17. Mai 60.


39.

Auf Eure Autorität hin unterschreibe ich jedes Gutachten[6] über ein Bild mit gutem Gewissen: würde ich doch mein Todesurtheil unterschreiben, wenn Du darum bätst und mir es als nützlich vorstelltest.

Dein
E. R.     

[Von Schnorrs Hand:] „erhalt. d. 23. Mai 60.“


Schnorr an Rietschel.
40.
Am 15. December 1860.     
Mein lieber, theurer Freund!

Ich kann es nicht über’s Herz bringen, Dich an

Deinem Geburtsfeste ohne ein Wort der Liebe zu lassen.


  1. Gewählt wurde Eduard Mandel in Berlin.
  2. Hochzeit Ludwigs, des zweiten Sohnes Schnorrs.
  3. Wenige Tage vor Empfang dieses Briefes, am 21. April, hatte Schnorr in sein Tagebuch geschrieben: „Dann gehe ich zu Rietschel, den ich lange nicht gesehen habe, weil ein neuer Anfall seines Leidens ihn betroffen hat. Ich finde ihn heiter und liebevoll und theilnehmend gegen mich bei vollster Einsicht in seinen bedenklichen Gesundheitszustand. Rietschel ist ein herrlicher Mensch. Wie wohl thut es doch selbst im Angesicht des Todes solch ein inneres Leben, wie es sich in diesem gebrechlichen Leibe offenbart, vor sich entfalten zu sehen.“
  4. Am 28. Januar 1847 zur Gedächtnisfeier König Friedrichs II. hatte Raumer in der Akademie der Wissenschaften zu Berlin als deren Sekretär eine Festrede gehalten, die von des großen Königs religiöser Toleranz handelte und bei Hofe solchen Anstoß erregte, daß die Akademie für nötig hielt, dem Könige ihr tiefstes Bedauern über das Vorgefallene auszusprechen. Raumer legte darauf sein Amt als Sekretär nieder und schied aus der Akademie aus.
  5. Raumer wurde erst 1863 gewählt; 1860 Fr. Chr. Schlosser in Heidelberg.
  6. Das Gutachten der Galeriekommission, das Rietschel vorlag, bezog sich auf eine aus Wiesbaden geschickte, angeblich Tiziansche Skizze, die man als Kopie nach dem im Louvre befindlichen Originale erkannte.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/271&oldid=- (Version vom 10.12.2024)