Mein lieber Schnorr
Vor allem der Wunsch für ein frohes heitres Weihnachtsfest, mögt Ihr alle wohl und gesund sein, und gleiche Nachrichten von außen einlaufen.
Da wir beide aufgefordert sind, unsre Stimmen für die Wahl eines Nachfolgers Johannes Müllers für den Orden p. l. m. abzugeben, und es, wenigstens für mich, schwer oder vielmehr unmöglich ist, den Würdigsten zu kennen, so glaubte ich nicht einen falschen Schritt zu thun, wenn ich an den General v. Webern in Berlin schrieb. Webern ist seit Rauchs Tode, dessen intimer Freund er war, mir selbst ein Freund geworden, er wollte, wie er sich ausdrückte, ein solches Verhältniß zu mir wie ein Erbtheil Rauchs betrachten, und ich steh seitdem in Briefwechsel mit ihm. Webern ist außerdem Mitglied der Ordenskanzlei, und irre ich nicht Kanzler oder Vicekanzler für den Orden pour le merite für die militairische Abtheilung. Da ich ihn also diesen Verhältnissen nahe wußte, bat ich ihn um vertrauliche Mittheilung, wer wohl dort als der oder die Würdigsten erkannt seyen. Er hat demnach bei Humboldt selbst gelauscht, und bezeichnen können: den Professor Weber den ältern[2] in Leipzig.
Vielfach habe ich von seiner, Webers, großen Bedeutung gehört, und besonders jetzt von dem, was er alles geschrieben, erforscht und entdeckt hat, wo ich von meinem Sohn oft erzählen höre, der bei ihm Vorlesungen hat. Natürlich ist dies für Dich nicht vorgreifend, ich glaubte aber doch Dir es mittheilen zu müssen, und ich werde also ihm meine Stimme geben. Oder hast Du, theurer Freund, vielleicht auch Recherchen angestellt und fallen sie anders aus und willst Du sie mir mittheilen?
Ich hoffe, daß wir uns nun bald einmal bei Dir oder uns en famille zusammenfinden, damit der Weg ein betretner bleibe für alle Zeit.
Mit den herzlichsten Grüßen an die lieben Deinigen und besten Wünschen
1. Feiertag früh.
Liebster Schnorr
Verzeihe, wenn ich Dich bitte und Dir zumuthe in beil. Heft einen kurzen Aufsatz über die Münchner Ausstellung[4] zu lesen. Es nimmt Dir vielleicht nicht mehr als 7–8 Minuten. Dem Verfasser, der sich vorher nicht gegen Dich nennen wollte, liegt vor Allem an Deinem Urtheil, und wünscht nachsichtslos durch Dich zu hören, wo und was gefehlt und mit Deinem Urtheil in Widerspruch steht. Ich hole mir es dieser Tage bei Dir ab.
Mit schönstem Gruß und Empfehlung den lieben Deinen
Donnerstag früh.
Wenn Du gelesen, werde ich Dir den Verfasser nennen.
Lieber Schnorr
Unsrer gestrigen Verabredung gemäß schicke ich Dir hier Bild und Schlüssel dazu. Sei so gütig, übergieb es Herrn Insp. Schirmer zur Aufbewahrung. Durch Bendemann erfährt es Hübner, und vielleicht läßt Du es durch einen Deiner Schüler unsern Peschel wissen. Es wäre mir recht lieb, wenn Einer von Euch einige Worte darüber niederschriebe, und die Andern sie vielleicht beistimmend, wenn sie können, unterschrieben, da den Besitzer ein gutachtlich (beifälliges oder misfälliges) Urtheil über den Kunstwerth, Identität der Person und den Meister sehr glücklich machen würde.
Beil. gutachtliche Aeußerung über die Identität der Person weiß ich nicht, von wem sie ist, auch lege ich die andre Inlage bei[6].
Ich danke im Voraus für Eure Bemühung, und beklage nicht dabei seyn zu können, da ich hier etwas zu lernen gehabt hätte.
Freitag früh.
Lieber Schnorr!
Glaubst Du, daß dem Oberhofprediger Grüneisen ein paar Photographieen des Lutherdenkmals lieb wären? Wenn Du meinst, so schicke sie ihm, wenn Du gelegentlich wieder einmal schreibst, schneide das weiße Papier ab, des bessern Verpackens wegen.
Die Photographieen, besonders die Diagonalansicht, sind schlecht gerathen, so schwarz, daß Schatten und Grund zusammen gehn, und die Lichter isoliren.
- ↑ Geschrieben am 25. Dezember 1858.
- ↑ Ernst Heinrich Weber wurde auch wirklich gewählt.
- ↑ Geschrieben am 30. Dezember 1858.
- ↑ Der Aufsatz war enthalten im Monatshefte für Januar 1859 der Zeitschrift „Anregungen für Kunst, Leben und Wissenschaft“, herausgegeben von Franz Brendel und Richard Pohl. Schnorr vermutete, daß Rietschels Schwager Andreas Oppermann der Verfasser sei, und traf damit wohl das Richtige.
- ↑ Geschrieben am 11. Februar 1859.
- ↑ Das Bild war Rietschel aus Frankfurt zur Begutachtung zugeschickt worden. In der Galeriekommission nahm man an, daß es weder ein Bildnis der Katharina von Bora noch von Cranachscher Hand sei. Doch fand man, daß es jedenfalls sehr interessant und wahrscheinlich älter als Cranach, vielleicht altniederländischen Ursprungs sei.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/269&oldid=- (Version vom 9.12.2024)